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AVR-Schlichtungsstelle in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Schlichtungsverfahren vom 13.07.2001

(zur Eingruppierung von Jugend- und Heimerziehern in der Funktion als Leiter einer Gruppe)

Antrag

Verhandlung

Entscheidung

Begründung

Ergebnis


Antrag auf Schlichtung gemäß AVR § 22 Abs. 1

Antragsteller: , ,

Antragsgegner: , , , Vorstand:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich gemäß AVR § 22 Abs. 1 die Schlichtung. Ich arbeite im , , und bin dort seit 1982 als Gruppenleiter einer Heimwohngruppe mit neun Plätzen tätig. Die mir übertragenen Aufgaben sind in der gültigen Stellenbeschreibung von 1993 festgelegt.
Gemäß Stellenplan war die Gruppe bis zum 31.12.2000 mit insgesamt drei Fachkräften besetzt, seit dem 01.01.2001 mit 3,5 Fachkräften.
Eingruppiert bin ich derzeit nach AVR, Anlage 2d, Vergütungsgruppe 5b Ziffer 2

Erzieher/-innen/ Heilerziehungspfleger/-innen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten und mit fachlichen koordinierenden Aufgaben für mindestens zwei Mitarbeiter im Erziehungsdienst 3, 5, 6, C

Ich bin der Auffassung, daß diese Eingruppierung nach Anlage 2d, Vergütungsgruppe 5b Ziffer 2 unzutreffend ist.
In diesem Tätigkeitsmerkmal ist nicht von der Gruppenleitung die Rede, sondern "von fachlichen koordinierenden Aufgaben für mindestens zwei Mitarbeiter im Erziehungsdienst".
Die bei uns geltende Stellenbeschreibung für Gruppenleiter beinhaltet u.a. die Dienst- und Fachaufsicht über die unterstellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen; diesen Anforderungen wird die o.g. Eingruppierung nicht gerecht.

Da es für die Jugend- und Heimerzieher in der Funktion als Gruppenleiter in den AVR kein entsprechendes Tätigkeitsmerkmal - anders bei den Dipl.Soz.päd.: siehe Anlage 2d, Vergütungsgr. 4b Ziffer 24

Diplom-Sozialarbeiter/-innen/ Diplom-Sozialpädagogen/-innen/ Diplom-Heilpädagogen/-innen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit
a) in gruppenergänzenden Diensten in Einrichtungen der Erziehungs-, Behinderten- oder Gefährdetenhilfe,
b) als Leiter/-innen einer Gruppe in Einrichtungen der Erziehungs-, Behinderten- oder Gefährdetenhilfe,
c) in entsprechenden eigenverantwortlichen Tätigkeiten

gibt, bin ich meiner Auffassung nach unter Anwendung der Bestimmungen gemäß AVR Anlage 1, Abschnitt Ic

Ic Eingruppierung bei nicht erfüllter Ausbildungsvoraussetzung
Wird für die Eingruppierung eines Mitarbeiters in eine Vergütungsgruppe eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt und übt er die Tätigkeit dieser Vergütungsgruppe aus, ohne die Ausbildungsvoraussetzung hierfür zu erfüllen, so ist er bei der Einstellung (Abschnitt I der Anlage 1 zu den AVR) bzw. bei einer Höhergruppierung (Abschnitt Ia der Anlage 1 zu den AVR) eine Vergütungsgruppe niedriger als im Vergütungsgruppenverzeichnis (Anlagen 2, 2a, 2b, 2c oder 2d zu den AVR) vorgeschrieben, eingruppiert, sofern im Vergütungsgruppenverzeichnis im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist.

eingruppiert. Nach dieser Vorschrift wäre dies unter Berücksichtigung der Bewährungszeit von fünf Jahren die Eingruppierung in Vergütungsgruppe 4b.

Der Dienstgeber, vertreten durch den Vorstand, , weigert sich, diese Eingruppierung zu vollziehen.

In Anbetracht der Tätigkeit und der Gesetzeslage wurde mir bis zum 31.12.2000 eine Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen Vergütungsgruppe 5b mit der Vergütungsgruppenzulage C und der Vergütungsgruppe 4b bezahlt; dadurch entstand mir materiell kein Nachteil.
Diese Zulage wurde jetzt gestrichen; damit werden die durch die AVR festgesetzten Mindeststandards zu meinem Nachteil unterschritten.

 

Daher beantrage ich die Schlichtung; diese möge feststellen, dass ich in Vergütungsgruppe 4b eingruppiert bin und möge den Dienstgeber verpflichten, diese Eingruppierung rückwirkend zum 01.01.2001 zu vollziehen.

mit freundlichen Grüßen


Schlichtungsstelle des Caritasverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V.

- Der Vorsitzende -

Postfach 13 09 33 ‚

70067 Stuttgart

den 13.07.2001

In dem Schlichtungsverfahren mit den Beteiligten

1. , ,

- Antragsteller (Ast.) -

2. , kirchliche Stiftung privaten Rechts
vertreten durch den Verwaltungsvorstandsvorsitzenden
,

- Antragsgegnerin (Ag) -

Verfahrensbev.: Rechtsanwälte , ,

 

wegen Eingruppierung

 

Anwesend:

Vorsitzender Richter am LAG Horst Helmut Leicht - als Vorsitzender -
sowie
Herr Peter Wacker und Frau Elisabeth Albrecht - als Beisitzer -

der Antragsteller in Person mit Herrn Wolfram Schiering, als Beistand gemäß § 5 Abs. 7 der SchlichtungsverfahrensO

für die Antragsgegnerin: Herr Rechtsanwalt

...

Eine gütliche Einigung ist nicht zu erzielen. Beide Beteiligten wünschen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus eine Klärung durch die Schlichtungsstelle, gegebenenfalls auch durch die Arbeitsgerichte.

...

Der Ast. beantragt festzustellen

dass er ab 01.01.2001 in Vergütungsgruppe 4b Ziffer 24 b) der Anlage 2 i.V.m. Ic der Anlage 1 der Richtlinien für die Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) einzugruppieren ist.

Die Ag. beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

...


 

Es ergeht folgender

SCHLICHTUNGSSPRUCH

 

Es wird festgestellt, dass der Antragsteller ab 01.01.2001 in Vergütungsgruppe 4b
(4a Nr. 20 b i.V.m. Ic der Anlage 1) der Anlage 2d zu den AVR eingruppiert ist.


 

Gründe:

Das Feststellungsbegehren des Ast. ist gerechtfertigt.

Ausgehend davon, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Beteiligten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)" in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, hat der Ast. Anspruch auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 4b Nr. 24.

Zwar erfüllt er die persönlichen Ausbildungsvoraussetzungen, die der Wortlaut der Bestimmung für eine Eingruppierung verlangt, nicht: Er ist weder Diplom-Sozialarbeiter noch Diplom-Sozialpädagoge oder Diplom-Heilpädagoge. Gleichwohl ist er in diese Vergütungsgruppe einzureihen. Nach Ic der Anlage 1 zu den AVR ist nämlich der Mitarbeiter bei der Einstellung oder Höhergruppierung eine Vergütungsgruppe niedriger als im Vergütungsgruppenverzeichnis vorgeschrieben, eingruppiert, wenn für die Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt wird und er die Tätigkeit dieser Vergütungsgruppe ausübt, ohne die Ausbildungsvoraussetzungen zu erfüllen - sofern im Vergütungsverzeichnis im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist. Unstreitig hat der Ast. als Leiter einer Gruppe in einer Einrichtung der Erziehungs-, Behinderten. oder Gefährdetenhilfe seit Jahren Tätigkeiten verrichtet, die von Anfang an nach Vergütungsgruppe 4b Nr. 24 b) oder nach einer Bewährungszeit von 5 Jahren nach Vergütungsgruppe 4a Nr. 20 b) vergütet worden wären, wäre er nicht Erzieher, sondern diplomierter Sozialpädagoge. Die Gruppenleitertätigkeit war wohl ursprünglich - da sie mit besonderer Verantwortung und fachlicher Koordination verbunden wurde - nur für diplomierte Mitarbeiter angedacht worden, dann aber in Ermangelung solcher Mitarbeiter auch an andere geeignete Mitarbeiter vergeben worden, ohne dass diese faktische Entwicklung bei der konkreten Ausgestaltung des Eingruppierungssystems berücksichtigt worden wäre. Dem trägt die allgemeine Eingruppierungsvorschrift in 1c der Anlage 1 vorausschauend Rechnung. Da sich der Ast. unstreitig weit mehr als 5 Jahre als Gruppenleiter bewährt hat, ist er aufgrund dieser Vorschrift zwar nicht der Vergütungsgruppe 4 a Nr.20 b), sondern der Vergütungsgruppe 4 b Nr. 24 b) – eine Vergütungsgruppe niedriger – zuzuordnen.

Entgegen der Rechtsauflässung der Ag. ist dem Vergütungsgruppenverzeichnis der Anlage 2 d keine Sonderregelung, welche die Anwendbarkeit der Anlage 1 zu den AVR im Falle des Ast. ausschließen würde, zu entnehmen. Die AVR sind zwar ihrer Rechtsnatur nach keine Tarifverträge; der Gesetzgeber respektiert aber die AVR der Kirchen immer häufiger im selben Umfang wie Tarifverträge, soweit er tarifdispositives Recht setzt, indem er insoweit eine Abänderbarkeit der gesetzlichen Regelung im selben Maße zulässt wie durch Tarifverträge, z.B. in § 6 Abs.3 BeschFG a.F., § 21 a Abs. 3 ArbSchG a.F., § 7 Abs.4 ArbZG. Daraus folgt, dass für die Auslegung und die Inhaltskontrolle kirchlicher AVR grundsätzlich die für Tarifverträge geltenden Maßstäbe heranzuziehen sind (vgl. auch BAG AP Nr. 1 zu § 10 a AVR Caritasverband mit weiteren Nachweisen).

Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt ( vgl. die ständige Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 08.09.1999 – 4 AZR 661/98, BAGE 92,259 = AP Nr.33 zu § 4 TVG Nachwirkung; zuletzt Urteil vom 30.08.2000 4 AZR 560/99, AP Nr.172 zu § 1 TVG Tarifvertrage: Metallindustrie). Entsprechendes gilt für die AVR.

Unter Zugrundlegung obiger Maßstäbe legen weder die Formulierung des Fallbeispiels Nr. 2 der Vergütungsgruppe 5b, welchem der Ast. bislang zugeordnet war, noch die Systematik der Fallbeispiele 1 bis 19 die Annahme nahe, Fallbeispiel Nr. 2 beinhalte eine abschließende Sonderregelung für Erzieher und Erzieherinnen in Einrichtungen der Erzichungs-, Behinderten- oder Gefährdetenhilfe, so dass eine höhere Eingruppierung dieser Mitarbeiter auch nicht in Verbindungmit Ic der Anlage 1 zu den AVR zulässig wäre. Denn der Regelungsgehalt von Vergütungsgruppe 5b Nr. 2 ist – abgesehen von den Ausbildungsvoraussetzungen – nicht deckungsgleich mit dem der Vergütungsgruppe 4 b Nr. 24 b) bzw. 4 a Nr. 20 b). Die Reichweite der erstgenannten Vorschrift ist größer, das Anforderungsprofil weiter. Die dort genannten besonders schwierigen fachlichenTätigkeiten verbunden mit fachlichen koordinierenden Aufgaben für mindestens zwei Mitarbeiter erschöpfen sich nicht nur in der Leitung von Gruppen in Einrichtungen der Erziehungs-,Behinderten- oder Gefährdetenhilfe, wenngleich diese Tätigkeit in der Regel die Kriterien dieser Vergütungsgruppe erfüllen dürfte. Vergütungsgruppe 5 b Nr. 2 erfasst auch andereTätigkeitsbereiche im Erziehungsdienst, ohne dass es sich dabei um Tätigkeiten in Einrichtungen der Vergütungsgruppe 4 b Nr. 24 b) handeln müsste. Andererseits setzt das Merkmal der Leitung einer Gruppe im Sinne der letztgenannten Vorschrift ein anderes Anforderungsprofil voraus als das der Tätigkeit mit fachlich koordinierenden Aufgaben für mindestens zwei Mitarbeiter. Gruppenleitung verlangt dem Mitarbeiter mehr Verantwortung und soziale Kompetenz ab als bloße fachliche Koordination. Daraus folgt, dass die Tätigkeit eines Erziehers – abgesehen von den besonderen Ausbildungserfordernissen - unter beide Vergütungsgruppen subsumiert werden kann, ohne dass Vergütungsgruppe 5b Nr. 2 als die speziellere Regelung im Verhältnis zu Vergütungsgruppe 4b Nr. 24 b) verstanden werden müsste. Sehr viel mehr spricht für die umgekehrte Betrachtung. Diese ist eher als ein Spezialfall jener Regelung aufzufassen. Keinesfalls schließt jene Regelung die Anwendung des 1c der Anlage 1 zu den AVR aus. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn dieTätigkeit der Erzieher/-innen als Gruppenleiter wie die der Heilpädagogen/ -innen in Nr. 6 der Vergütungsgruppe 5b, denen der Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe 4 b Nr.1 in vier Jahren eröffnet ist, besonders aufgeführt worden wären. Hätten die Urheber der Anlage 2 d zu den AVR die Erzieher/-innen tatsächlich unter Ausklammerung der allgemeinen Eingruppierungsvorschrift Ic der Anlage 1 schlechter stellen wollen als die Heilpädagogen/-innen,was sachlich wohl nicht zu rechtfertigen wäre, so hätte es einer eindeutigen Regelung bedurft.

Nach Auffassung der Schlichtungsstelle ist deshalb die Eingruppierung des Ast. in Vergütungsgruppe 4b Nr. 24 b) – 4a Nr. 20 b i.V.m Ic der Anlage 1 zu den AVR – der Anlage 2d zu den AVR geboten. Dass der Haushaltsplan der Ag. solche Stellen für ihre Gruppenleiter nicht vorsieht und die Refinanzierung höherer Vergütungsaufwendungen Schwierigkeiten bereiten könnte, spricht nicht gegen obiges Auslegungsergebnis. Die Budgetierung hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren, nicht umgekehrt. Es kann auch nicht im wohlverstandenen Interesse der Ag. liegen, unter Berufüng auf die – stets – missliche Haushaltslage ihren Gruppenleitern/ -innen die kollektivrechtlich vorgegebene gerechte Vergütung streitig zu machen, obwohl deren Aufgabenbereich und Verantwortung durch die Abschaffung des noch in der Stellenbeschreibung erwähnten Erziehungsleiters und die Übertragung seiner Funktionen auf sie gewachsen sind. Denn dadurch wird letztendlich die Arbeitsmotivation und die Qualität des Arbeitsergebnisses gefährdet.

(Horst H. Leicht)
Der Vorsitzende

(Peter Wacker) (Elisabeth Albrecht)
Die Beisitzer


 

Ergebnis: Der Schlichtungsspruch wurde von den Parteien angenommen!