Antrag
Verhandlung
Entscheidung
Begründung
Ergebnis
Antrag auf Schlichtung gemäß AVR §
22 Abs. 1
Antragsteller: ,
,
Antragsgegner: ,
, ,
Vorstand:
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich gemäß AVR § 22 Abs. 1 die Schlichtung.
Ich arbeite im ,
,
und bin dort seit 1982 als Gruppenleiter einer Heimwohngruppe mit neun
Plätzen tätig. Die mir übertragenen Aufgaben sind in
der gültigen Stellenbeschreibung von 1993 festgelegt.
Gemäß Stellenplan war die Gruppe bis zum 31.12.2000 mit insgesamt
drei Fachkräften besetzt, seit dem 01.01.2001 mit 3,5 Fachkräften.
Eingruppiert bin ich derzeit nach AVR, Anlage 2d, Vergütungsgruppe
5b Ziffer 2
Erzieher/-innen/ Heilerziehungspfleger/-innen mit staatlicher Anerkennung
und entsprechender Tätigkeit mit besonders schwierigen fachlichen
Tätigkeiten und mit fachlichen koordinierenden Aufgaben für
mindestens zwei Mitarbeiter im Erziehungsdienst 3, 5, 6, C
Ich bin der Auffassung, daß diese Eingruppierung nach Anlage
2d, Vergütungsgruppe 5b Ziffer 2 unzutreffend ist.
In diesem Tätigkeitsmerkmal ist nicht von der Gruppenleitung die
Rede, sondern "von fachlichen koordinierenden Aufgaben für
mindestens zwei Mitarbeiter im Erziehungsdienst".
Die bei uns geltende Stellenbeschreibung für Gruppenleiter beinhaltet
u.a. die Dienst- und Fachaufsicht über die unterstellten Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen; diesen Anforderungen wird die o.g. Eingruppierung
nicht gerecht.
Da es für die Jugend- und Heimerzieher in der Funktion als Gruppenleiter
in den AVR kein entsprechendes Tätigkeitsmerkmal - anders bei den
Dipl.Soz.päd.: siehe Anlage 2d, Vergütungsgr. 4b Ziffer 24
Diplom-Sozialarbeiter/-innen/ Diplom-Sozialpädagogen/-innen/
Diplom-Heilpädagogen/-innen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender
Tätigkeit
a) in gruppenergänzenden Diensten in Einrichtungen der Erziehungs-,
Behinderten- oder Gefährdetenhilfe,
b) als Leiter/-innen einer Gruppe in Einrichtungen der Erziehungs-,
Behinderten- oder Gefährdetenhilfe,
c) in entsprechenden eigenverantwortlichen Tätigkeiten
gibt, bin ich meiner Auffassung nach unter Anwendung der Bestimmungen
gemäß AVR Anlage 1, Abschnitt Ic
Ic Eingruppierung bei nicht erfüllter Ausbildungsvoraussetzung
Wird für die Eingruppierung eines Mitarbeiters in eine Vergütungsgruppe
eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt und übt er die Tätigkeit
dieser Vergütungsgruppe aus, ohne die Ausbildungsvoraussetzung
hierfür zu erfüllen, so ist er bei der Einstellung (Abschnitt
I der Anlage 1 zu den AVR) bzw. bei einer Höhergruppierung (Abschnitt
Ia der Anlage 1 zu den AVR) eine Vergütungsgruppe niedriger als
im Vergütungsgruppenverzeichnis (Anlagen 2, 2a, 2b, 2c oder 2d
zu den AVR) vorgeschrieben, eingruppiert, sofern im Vergütungsgruppenverzeichnis
im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist.
eingruppiert. Nach dieser Vorschrift wäre dies unter Berücksichtigung
der Bewährungszeit von fünf Jahren die Eingruppierung in Vergütungsgruppe
4b.
Der Dienstgeber, vertreten durch den Vorstand, ,
weigert sich, diese Eingruppierung zu vollziehen.
In Anbetracht der Tätigkeit und der Gesetzeslage wurde mir bis
zum 31.12.2000 eine Zulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen
Vergütungsgruppe 5b mit der Vergütungsgruppenzulage C und
der Vergütungsgruppe 4b bezahlt; dadurch entstand mir materiell
kein Nachteil.
Diese Zulage wurde jetzt gestrichen; damit werden die durch die AVR
festgesetzten Mindeststandards zu meinem Nachteil unterschritten.
Daher beantrage ich die Schlichtung; diese möge feststellen, dass
ich in Vergütungsgruppe 4b eingruppiert bin und möge den Dienstgeber
verpflichten, diese Eingruppierung rückwirkend zum 01.01.2001 zu
vollziehen.
mit freundlichen Grüßen
Schlichtungsstelle des Caritasverbandes der
Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V.
- Der Vorsitzende -
Postfach 13 09 33
70067 Stuttgart
den 13.07.2001
In dem Schlichtungsverfahren mit den Beteiligten
1. ,
,
- Antragsteller (Ast.) -
2. ,
kirchliche Stiftung privaten Rechts
vertreten durch den Verwaltungsvorstandsvorsitzenden
,
- Antragsgegnerin (Ag) -
Verfahrensbev.: Rechtsanwälte ,
,
wegen Eingruppierung
Anwesend:
Vorsitzender Richter am LAG Horst Helmut Leicht - als Vorsitzender
-
sowie
Herr Peter Wacker und Frau Elisabeth Albrecht - als Beisitzer -
der Antragsteller in Person mit Herrn Wolfram Schiering,
als Beistand gemäß § 5 Abs. 7 der SchlichtungsverfahrensO
für die Antragsgegnerin: Herr Rechtsanwalt
...
Eine gütliche Einigung ist nicht zu erzielen. Beide Beteiligten
wünschen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus eine
Klärung durch die Schlichtungsstelle, gegebenenfalls auch durch
die Arbeitsgerichte.
...
Der Ast. beantragt festzustellen
dass er ab 01.01.2001 in Vergütungsgruppe 4b Ziffer 24 b)
der Anlage 2 i.V.m. Ic der Anlage 1 der Richtlinien für die
Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes
(AVR) einzugruppieren ist.
Die Ag. beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
...
Es ergeht folgender
SCHLICHTUNGSSPRUCH
Es wird festgestellt, dass der Antragsteller ab 01.01.2001 in Vergütungsgruppe
4b
(4a Nr. 20 b i.V.m. Ic der Anlage 1) der Anlage 2d zu den AVR eingruppiert
ist.
Gründe:
Das Feststellungsbegehren des Ast. ist gerechtfertigt.
Ausgehend davon, dass auf das Arbeitsverhältnis zwischen den
Beteiligten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in
den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)" in der
jeweils gültigen Fassung Anwendung finden, hat der Ast. Anspruch
auf Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 4b Nr. 24.
Zwar erfüllt er die persönlichen Ausbildungsvoraussetzungen,
die der Wortlaut der Bestimmung für eine Eingruppierung verlangt,
nicht: Er ist weder Diplom-Sozialarbeiter noch Diplom-Sozialpädagoge
oder Diplom-Heilpädagoge. Gleichwohl ist er in diese Vergütungsgruppe
einzureihen. Nach Ic der Anlage 1 zu den AVR ist nämlich der
Mitarbeiter bei der Einstellung oder Höhergruppierung eine Vergütungsgruppe
niedriger als im Vergütungsgruppenverzeichnis vorgeschrieben,
eingruppiert, wenn für die Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe
eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt wird und er die Tätigkeit
dieser Vergütungsgruppe ausübt, ohne die Ausbildungsvoraussetzungen
zu erfüllen - sofern im Vergütungsverzeichnis im Einzelfall
nichts anderes bestimmt ist. Unstreitig hat der Ast. als Leiter einer
Gruppe in einer Einrichtung der Erziehungs-, Behinderten. oder Gefährdetenhilfe
seit Jahren Tätigkeiten verrichtet, die von Anfang an nach Vergütungsgruppe
4b Nr. 24 b) oder nach einer Bewährungszeit von 5 Jahren nach
Vergütungsgruppe 4a Nr. 20 b) vergütet worden wären,
wäre er nicht Erzieher, sondern diplomierter Sozialpädagoge.
Die Gruppenleitertätigkeit war wohl ursprünglich - da sie
mit besonderer Verantwortung und fachlicher Koordination verbunden
wurde - nur für diplomierte Mitarbeiter angedacht worden, dann
aber in Ermangelung solcher Mitarbeiter auch an andere geeignete Mitarbeiter
vergeben worden, ohne dass diese faktische Entwicklung bei der konkreten
Ausgestaltung des Eingruppierungssystems berücksichtigt worden
wäre. Dem trägt die allgemeine Eingruppierungsvorschrift
in 1c der Anlage 1 vorausschauend Rechnung. Da sich der Ast. unstreitig
weit mehr als 5 Jahre als Gruppenleiter bewährt hat, ist er aufgrund
dieser Vorschrift zwar nicht der Vergütungsgruppe 4 a Nr.20 b),
sondern der Vergütungsgruppe 4 b Nr. 24 b) eine Vergütungsgruppe
niedriger zuzuordnen.
Entgegen der Rechtsauflässung der Ag. ist dem Vergütungsgruppenverzeichnis
der Anlage 2 d keine Sonderregelung, welche die Anwendbarkeit der
Anlage 1 zu den AVR im Falle des Ast. ausschließen würde,
zu entnehmen. Die AVR sind zwar ihrer Rechtsnatur nach keine Tarifverträge;
der Gesetzgeber respektiert aber die AVR der Kirchen immer häufiger
im selben Umfang wie Tarifverträge, soweit er tarifdispositives
Recht setzt, indem er insoweit eine Abänderbarkeit der gesetzlichen
Regelung im selben Maße zulässt wie durch Tarifverträge,
z.B. in § 6 Abs.3 BeschFG a.F., § 21 a Abs. 3 ArbSchG a.F.,
§ 7 Abs.4 ArbZG. Daraus folgt, dass für die Auslegung und
die Inhaltskontrolle kirchlicher AVR grundsätzlich die für
Tarifverträge geltenden Maßstäbe heranzuziehen sind
(vgl. auch BAG AP Nr. 1 zu § 10 a AVR Caritasverband mit weiteren
Nachweisen).
Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt
nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung den für
die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst
vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der
Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei
nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien
mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen
Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen
Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen
Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck
der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie
Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte ohne
Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte
des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend
heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse
ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung
der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten
und praktisch brauchbaren Regelung führt ( vgl. die ständige
Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 08.09.1999 4 AZR 661/98,
BAGE 92,259 = AP Nr.33 zu § 4 TVG Nachwirkung; zuletzt Urteil
vom 30.08.2000 4 AZR 560/99, AP Nr.172 zu § 1 TVG Tarifvertrage:
Metallindustrie). Entsprechendes gilt für die AVR.
Unter Zugrundlegung obiger Maßstäbe legen weder die Formulierung
des Fallbeispiels Nr. 2 der Vergütungsgruppe 5b, welchem der
Ast. bislang zugeordnet war, noch die Systematik der Fallbeispiele
1 bis 19 die Annahme nahe, Fallbeispiel Nr. 2 beinhalte eine abschließende
Sonderregelung für Erzieher und Erzieherinnen in Einrichtungen
der Erzichungs-, Behinderten- oder Gefährdetenhilfe, so dass
eine höhere Eingruppierung dieser Mitarbeiter auch nicht in Verbindungmit
Ic der Anlage 1 zu den AVR zulässig wäre. Denn der Regelungsgehalt
von Vergütungsgruppe 5b Nr. 2 ist abgesehen von den Ausbildungsvoraussetzungen
nicht deckungsgleich mit dem der Vergütungsgruppe 4 b
Nr. 24 b) bzw. 4 a Nr. 20 b). Die Reichweite der erstgenannten Vorschrift
ist größer, das Anforderungsprofil weiter. Die dort genannten
besonders schwierigen fachlichenTätigkeiten verbunden mit fachlichen
koordinierenden Aufgaben für mindestens zwei Mitarbeiter erschöpfen
sich nicht nur in der Leitung von Gruppen in Einrichtungen der Erziehungs-,Behinderten-
oder Gefährdetenhilfe, wenngleich diese Tätigkeit in der
Regel die Kriterien dieser Vergütungsgruppe erfüllen dürfte.
Vergütungsgruppe 5 b Nr. 2 erfasst auch andereTätigkeitsbereiche
im Erziehungsdienst, ohne dass es sich dabei um Tätigkeiten in
Einrichtungen der Vergütungsgruppe 4 b Nr. 24 b) handeln müsste.
Andererseits setzt das Merkmal der Leitung einer Gruppe im Sinne der
letztgenannten Vorschrift ein anderes Anforderungsprofil voraus als
das der Tätigkeit mit fachlich koordinierenden Aufgaben für
mindestens zwei Mitarbeiter. Gruppenleitung verlangt dem Mitarbeiter
mehr Verantwortung und soziale Kompetenz ab als bloße fachliche
Koordination. Daraus folgt, dass die Tätigkeit eines Erziehers
abgesehen von den besonderen Ausbildungserfordernissen - unter
beide Vergütungsgruppen subsumiert werden kann, ohne dass Vergütungsgruppe
5b Nr. 2 als die speziellere Regelung im Verhältnis zu Vergütungsgruppe
4b Nr. 24 b) verstanden werden müsste. Sehr viel mehr spricht
für die umgekehrte Betrachtung. Diese ist eher als ein Spezialfall
jener Regelung aufzufassen. Keinesfalls schließt jene Regelung
die Anwendung des 1c der Anlage 1 zu den AVR aus. Etwas anderes könnte
nur gelten, wenn dieTätigkeit der Erzieher/-innen als Gruppenleiter
wie die der Heilpädagogen/ -innen in Nr. 6 der Vergütungsgruppe
5b, denen der Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe 4
b Nr.1 in vier Jahren eröffnet ist, besonders aufgeführt
worden wären. Hätten die Urheber der Anlage 2 d zu den AVR die Erzieher/-innen tatsächlich unter Ausklammerung der allgemeinen
Eingruppierungsvorschrift Ic der Anlage 1 schlechter stellen wollen
als die Heilpädagogen/-innen,was sachlich wohl nicht zu rechtfertigen
wäre, so hätte es einer eindeutigen Regelung bedurft.
Nach Auffassung der Schlichtungsstelle ist deshalb die Eingruppierung
des Ast. in Vergütungsgruppe 4b Nr. 24 b) 4a Nr. 20 b
i.V.m Ic der Anlage 1 zu den AVR der Anlage 2d zu den AVR geboten.
Dass der Haushaltsplan der Ag. solche Stellen für ihre Gruppenleiter
nicht vorsieht und die Refinanzierung höherer Vergütungsaufwendungen
Schwierigkeiten bereiten könnte, spricht nicht gegen obiges Auslegungsergebnis.
Die Budgetierung hat sich an den rechtlichen Vorgaben zu orientieren,
nicht umgekehrt. Es kann auch nicht im wohlverstandenen Interesse
der Ag. liegen, unter Berufüng auf die stets missliche
Haushaltslage ihren Gruppenleitern/ -innen die kollektivrechtlich
vorgegebene gerechte Vergütung streitig zu machen, obwohl deren
Aufgabenbereich und Verantwortung durch die Abschaffung des noch in
der Stellenbeschreibung erwähnten Erziehungsleiters und die Übertragung
seiner Funktionen auf sie gewachsen sind. Denn dadurch wird letztendlich
die Arbeitsmotivation und die Qualität des Arbeitsergebnisses
gefährdet.
(Horst H. Leicht)
Der Vorsitzende
(Peter Wacker) (Elisabeth Albrecht)
Die Beisitzer
Ergebnis: Der Schlichtungsspruch
wurde von den Parteien angenommen!