Nach heftigen Protesten der Wirtschaft hat die Bundesregierung das
"Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der
Arbeitnehmerrechte" vom 18.12.1998 bereits am 12.11.1999 an einigen
Stellen revidiert.
Danach sollen Beschäftigte in einem Anfrageverfahren beim Versicherungsträger
klären können, ob eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeivorliegt.
Geschieht dies nicht, wird Scheinselbständigkeit vermutet, wenn
drei von fünf Kriterien zur Abgrenzung von Selbständigen und
Scheinselbständigen vorliegen. Für das Vorliegen der Scheinselbständigkeit
spricht:
1.Der Beschäftigte beschäftigt seinerseits nicht regelmäßig
mindestens einen Arbeitnehmer, wobei hierzu nicht sogenannte 325-Euro-Jobs
zählen.
2.Der Beschäftigte wird auf Dauer und im wesentlichen nur für
einen Auftraggeber tätig.
3.Der Auftraggeber lässt entsprechende Tätigkeiten regelmässig
so verrichten.
4.Die Tätigkeit des Beschäftigten lässt typische Merkmale
unternehmerischen Handelns vermissen.
5.Die Tätigkeit des Beschäftigten entspricht derjenigen,
die er vorher schon im Rahmen eines unselbständigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt hat.
Eine rückwirkende Erhebung von Beitragszahlungen zur Sozialversicherung
ist bei Feststellung der Scheinselbständigkeit ausgeschlossen.
Darüber hinaus sieht das Gesetz eine Lockerung der Bestimmungen
vor, nach denen arbeitnehmerähnliche Selbständige eine Altersvorsorgenachweisen
müssen. Existenzgründer werden für drei Jahre, Personen,
die das 58. Lebensjahr vollendet haben, insgesamt von der Rentenversicherungspflicht
befreit. Eine Befreiungsmöglichkeit besteht auch dann, wenn der
Beschäftigte andere Formen der Altersvorsorge, etwa eine Lebensversicherung
oder Vermögen nachweisen kann.
Das Gesetz tritt rückwirkend zum 01.01.1999 in Kraft.
Konsequenzen der Scheinselbständigkeit:
Scheinselbständigkeit heißt, daß der Selbständige
Arbeitnehmerstatus hat. Die Sozialversicherungsleistungen sowie die
Lohn- bzw. Einkommenssteuer sind vom Unternehmer (Auftraggeber) abzuführen.
Das Unternehmen, für das der Scheinselbständige arbeitet,
muß diesen sofort als Mitarbeiter bei der zuständigen gesetzlichen
Krankenversicherung anmelden. Die Konsequenzen im einzelnen:
1. Arbeitsrechtliche Folgen:
Wird die Scheinselbständigkeit festgestellt, so kann der Scheinselbständige
seinen Arbeitnehmerstatus einklagen. Das Arbeitsgericht prüft
dann anhand der Kriterien (einschließlich der bereits bisher
in der Rechtsprechung gebildeten Kriterien), ob dem Scheinselbständigen
Arbeitnehmerstatus zuerkannt werden kann. Ist dies der Fall, so ist
der ehemals Selbständige nun Angestellter mit Kündigungsschutz,
Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall und unterliegt
der Sozialversicherungspflicht.
2. Sozialversicherungsrechtliche Folgen
Die gesetzlichen Krankenkassen können grundsätzlich vom
Arbeitgeber die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Renten- und
Arbeitslosenversicherung für vier Jahre rückwirkend nachfordern.
Eine Erstattung des Arbeitnehmeranteils durch den scheinselbständigen
Arbeitnehmer kommt jedoch nur ausnahmsweise in Betracht. So dürfen
beispielsweise nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln
(AZ: 5 Sa 811/95) vom Arbeitnehmer maximal die Beitragsanteile der
letzten drei Monate einbehalten werden. Nur wenn der Scheinselbständige
bereits in der Vergangenheit entweder freiwillige Beiträge zur
gesetzlichen Krankenversicherung geleistet oder sich über eine
private Krankenversicherung abgesichert hat , sind in der Regel keine
Nachforderungen zu erwarten.
Bei scheinselbständigen Arbeitnehmern trägt der Auftraggeber
die Meldepflicht. Gemeldet werden muß der Scheinselbständige
bei der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse bis spätestens
31. März 1999 bzw. bis zwei Wochen nach Beginn des Beschäftigungsverhältnisses.
Auch in Fällen der Unklarheit, ob eine scheinselbständige
Beschäftigung vorliegt, muß gemeldet werden und gegebenenfalls
der Beweis erbracht werden, daß es sich eben nicht um eine solche
handelt. Es entscheiden die zuständigen Krankenkassen über
die Versicherungspflicht oder eine Befreiung. Zuständig ist diejenige
gesetzliche Krankenkasse, in der der Scheinselbständige derzeit
versichert ist oder zuletzt vor Ausscheiden aus der gesetzlichen Krankenversicherung
versichert war.
Die Höhe der Sozialversicherungspflicht bemißt sich auf
Antrag nach dem Gewinn des Versicherten oder, bis zur Vorlage einer
Einkommenssteuererklärung, an der sogenannten Bezugsgröße.
Bezugsgröße ist das (durchschnittliche Einkommen aller
Versicherten, es beträgt in den alten Bundesländern 4.410,-
DM und 3.710,- DM in den neue Bundesländern.
Abzuführen sind im Einzelnen:
- 13,4 Prozent Krankenversicherung
- 1,7 Prozent Pflegeversicherung
- 19,5 Prozent Rentenversicherung
- 6,5 Prozent Arbeitslosenversicherung
Berechnet auf die Bezugsgröße bedeutet dies sowohl für
den Scheinselbständigen wie für seinen Auftraggeber einen
monatlichen Beitrag in Höhe von jeweils 904,- DM (West) bzw.
760,- DM (Ost).
3. Steuerliche Folgen:
Für arbeitnehmerähnliche Selbständige hat die Änderung
der Rahmenbedingungen keine steuerlichen Auswirkungen; für sie
ändert sich nur die Rentenversicherungspflicht.
Scheinselbständige müssen beachten, daß sie als Arbeitnehmer
den lohn-/einkommenssteuerlichen Regelungen unterliegen und durch
ihre Tätigkeit fortan keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb
mehr erzielen. Darüberhinaus schuldet der vermeintliche Auftragnehmer
gegebenenfalls die auf seinen bisherigen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer
nach § 14 Abs. 3 UStG, während ein Vorsteuerabzug für
den Auftraggeber (der ja in diesem Fall wie ein Arbeitgeber zu behandeln
ist) nicht in Betracht kommt. Hier sind koordinierte Ländererlasse
zum weiteren Verfahren abzuwarten.
4. Gewerberechtliche Folgen:
Spätestens mit Feststellung der Scheinselbständigkeit endet
auch die unternehmerische Tätigkeit für das betriebene Gewerbe,
das abgemeldet werden muß. Damit endet dann gleichzeitig auch
die gesetzliche Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer
sowie die gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft.