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Neue Regeln zur "Scheinselbständigkeit"

aus "Wirtschaft zwischen Alb und Bodensee" Ausgabe 1/2000

 

Die neuen Regeln zur "Scheinselbständigkeit" und zur Rentenversicherungspflicht des "arbeitnehmerähnlichen Selbständigen", die vom Deutschen Bundestag am 12. November 1999 verabschiedet wurden und mit deren Verabschiedung durch den Bundesrat in den nächsten Wochen zu rechnen ist, reparieren allenfalls notdürftig das Unheil, welches das noch nicht einmal ein Jahr alte "Korrekturgesetz" für die Kultur der Selbständigkeit in Deutschland angerichtet hat.

Das neue Gesetz geht auf die Vorarbeit einer von der Koalition eingesetzten Kommission unter Leitung des ehemaligen Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts Professor Thomas Dieterich zurück. Seine wesentlichen Inhalte beziehen sich auf eine Klarstellung der Amtsermittlungspflichten der Sozialversicherungsträger, die Entschärfung der Vermutungsregelung, die Gewährung von mehr Rechtssicherheit gegenüber Beitragsnachforderungen und eine Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten von der Rentenversicherungspflicht für "arbeitnehmerähnliche Selbständige". Die Vermutungskriterien für die "Scheinselbständigkeit" finden nur Anwendung, wenn der vorgenannten Amtsermittlungspflicht Genüge getan ist und - so verlangt es ausdrücklich der neue § 7 Abs. 4, Satz 1 SGB IV - die erwerbsmäßig tätige Person, deren Sozialversicherungsstatus geprüft wird, ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist. Die beiden ersten Kriterien werden zudem enger gefasst. Das in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IV aufgeführte Kriterium ist erfüllt, wenn die erwerbsmäßig tätige Person regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Die Beschäftigung von Familienangehörigen reicht jetzt aus, um das Vorliegen des Kriteriums zu verneinen. Die Arbeitnehmer müssen allerdings sozialversicherungspflichtig sein und aus dem betreffenden Beschäftigungsverhältnis - wiederum regelmäßig - mehr als 322,11 Euro (630 DM) verdienen. Bei dem zweiten Kriterium (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2) wird nun darauf abgestellt, dass die erwerbsmäßig tätige Person auf Dauer - und nicht mehr nur "regelmäßig" - und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist. Damit sollen die Fälle ausgeschaltet werden, in denen ein Dienstleister zwar stets nur für einen Auftraggeber tätig ist, Letzteren jedoch in nicht zu langen Abständen wechselt. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 umfasst - wie in der bisherigen Gesetzesfassung die Kriterien drei und vier - das "Universum" der Abgrenzung. Wenn tatsächlich typische Merkmale unternehmerischen Handelns erkennbar sind, sollten alle anderen Kriterien zur Makulatur verkommen. Das Kriterium Nr. 3 verlangt, dass der Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber entsprechende Tätigkeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten läßt. Das Kriterium Nr. 5 stellt auf den Wechsel von abhängiger zu behaupteter selbständiger Tätigkeit für denselben Auftraggeber. Selbst wenn drei der fünf Vermutungskriterien erfüllt sind, ist damit die Sozialversicherungspflicht nicht abschließend festgestellt. Nach § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB IV kann nämlich die Vermutung widerlegt werden. Das kann einmal durch den Nachweis geschehen, dass der zuständige Sozialversicherungsträger sich bei der Annahme eines der Vermutungskriterien geirrt hat. Zum Anderen muss den Betroffenen auch jetzt noch die Möglichkeit bleiben nachzuweisen, dass trotz des Vorliegens von drei Vermutungskriterien bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles doch kein Beschäftigungsverhältnis vorliegt. In dem oben zitierten Beispielsfall etwa sollte dies möglich sein.

 

Mehr Rechtssicherheit gegenüber Beitragsnachforderungen

Grundsätzlich zu begrüßen ist das in dem neuen § 7 a SGB IV geregelte Anfrageverfahren. Danach können die Beteiligten bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nunmehr schriftlich eine Entscheidung beantragen. Der Vorteil ist, dass im Falle einer positiven Entscheidung die Sozialversicherungspflicht erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung eintritt, wenn die Anfrage innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wurde, der Beschäftigte zustimmt und er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht (§ 7 a Abs. 6 SGB IV).

 

Zahlreiche Ausnahmen für "arbeitnehmerähnliche Selbständige"

Wie ein "Schweizer Käse" mutet die neue Regelung der Rentenversicherungspflicht für "arbeitnehmerähnliche Selbständige" nach § 2 Satz 1 Nr. 9, § 6 Abs. 1 a, § 134 und § 231 Abs. 5 SGB VI an. Grundsätzlich sind danach Selbständige rentenversicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Arbeitsverhältnis regelmäßig 322,11 Euro (630 DM) im Monat übersteigt, und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Dieser Grundsatz ist nunmehr von zahlreichen Ausnahmen durchlöchert. So sind nach § 6 Abs. 1 a Nr. 1 Existenzgründer für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer - arbeitnehmerähnlichen - selbständigen Tätigkeit von der Rentenversicherungspflicht befreit. Das gilt auch für einen "zweiten Versuch" von noch einmal drei Jahren, soweit es sich dabei um eine neue selbständige Tätigkeit handelt. Auch "arbeitnehmerähnliche Selbständige", die das 58. Lebensjahr vollendet haben, werden nach § 6 Abs. 1 a Nr. 2 nicht mehr von der Rentenversicherungspflicht erfasst. Wer bereits am 31. Dezember 1998 eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, kann sich nach § 231 Abs. 5 auf Antrag befreien lassen, wenn er vor dem 2. Januar 1949 geboren ist (Nr. 1) oder bereits vor dem 10. Dezember 1998 über einen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag (Nr. 2) oder eine vergleichbare Altersvorsorge (Nr. 3) verfügte. Er muss diese allerdings spätestens bis zum 30. Juni 2000 oder binnen eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht so ausgestalten, dass sie ihm für den Fall der Invalidität oder das Alter ab sechzig bzw. seinen Hinterbliebenen im Falle seines Todes eine adäquate Absicherung gewähren. Bei der Lebens- oder Rentenversicherung wird Letzteres unterstellt, wenn für diese ebensoviel Beiträge aufzuwenden sind, wie auch an die staatliche Rentenversicherung zu zahlen wären. Baut die Altersvorsorge auf sonstigem Vermögen auf, so reicht dies für die Freistellung aus, wenn der wirtschaftliche Wert nicht hinter dem einer Lebens- oder Rentenversicherung nach Nr. 2 zurückbleibt. Und schließlich wirkt auch noch eine betriebliche Versorgungszusage befreiend, wenn sie die leistungs- und aufwandsbezogenen Voraussetzungen der befreienden Lebens- bzw. Rentenversicherung erfüllt. pm