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Wie buchstabiert MAV Kooperation?

Ein Beitrag von Wolfram Schiering in der Februar/März-Ausgabe 2004 der INFORMATIONEN

 

Wie buchstabiert MAV Kooperation?

Ein spannendes Thema - und ich habe mich dazu gleich in tiefe Überlegungen gestürzt. Angefangen von den Aussagen in der Präambel der Mitarbeitervertetungsordnung über die allgemein bekannten Grundsätze der Unternehmenskultur und Unternehmensethik bis hin zu den überall belegten Erkenntnissen, dass das gute Zusammenwirken der Betriebsparteien den Erfolg des Unternehmens weitgehend mitbewirkt.
Zu diesen unbestrittenen Fakten ließen sich herrliche Ausführungen und Visionen entwickeln - doch je länger ich schrieb, desto mehr kam das Grübeln.

Also - in den Papierkorb mit den wunderbaren Theorien! Denn in unseren kirchlichen Einrichtungen und Unternehmen - und das meine ich in meiner Funktion als Vorsitzender der DiAG-MAV sehr gut beurteilen zu können - sieht die Praxis ganz anders aus. Eine Praxis, in der von Dienstgeberseite zumeist die MAV nur als Kostenfaktor gesehen wird - angefangen von der Freistellung über Schulungskosten bis hin zur sachlichen und personellen Ausstattung.
Gestritten wird immer noch um formale Dinge: Um den Umfang der Freistellung, um die Bereitstellung eines Internetzugangs, um die Vorlage des Stellenplans.
Die Beteiligung nach MAVO findet in aller Regel nur sehr rudimentär statt - bis auf einen Bereich, an dem sich immer wieder eine doppelte Moral der Dienstgeberseite festmachen lässt: Geht es um die Beteiligung bei Kündigungen, bekommt die MAV alles - denn es droht die gesetzliche Sanktion, dass die Kündigung sonst rechtsunwirksam wäre. Und dieses Risiko will man doch nicht eingehen. Aber sonst, bei den anderen Mitbestimmungsrechten ohne unmittelbare Sanktionsdrohung - da ist bei der Beteiligung Fehlanzeige. Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegenheiten? Nein danke! Und wenn, dann in der Regel nur notgedrungen und wenn die Kassen sowieso leer sind.

Der Gesetzgeber mit Dienstgeberhut?

Die Dienstgeberseite kann sich hier auch der Unterstützung des Gesetzgebers sicher sein: Denn zuviel Mitbestimmung schadet nur und kostet Geld. Und es ist doch viel besser, Lehre und Moral nach Außen zu tragen als diese im eigenen Bereich zu praktizieren. Nur wenige Beispiele:

Bei der Festlegung der pastoralen Prioritäten der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist ein Handlungsziel "Sich für die Würde der menschlichen Arbeit einsetzen". Darin wird aufgerufen, zur Mitwirkung in Betriebs- und Personalräten zu motivieren und Unternehmer und Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu begleiten. Vom Mitarbeitervertretungen ist hier überhaupt nicht die Rede. Die Wichtigkeit der Betriebsräte und Personalräte wird lautstark betont - die Mitarbeitervertretungen im eigenen Bereich (!) fallen unter den Tisch.

Auf der Internetseite der Diözese Rottenburg-Stuttgart unter http://www.drs.de findet man alle möglichen kirchlichen Organisationen, Verbände, Gruppierungen - doch die Zusammenschlüsse der Mitarbeitervertretungen, die Diözesanen Arbeitsgemeinschaften (DiAG-MAV) sind nicht verzeichnet. Und immerhin sind dies die betriebsverfassungsrechtlichen Dachorganisationen von insgesamt 45.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unserer Diözese.

Und nach wie vor will man diese Interessenvertretung MAV trotz aller Beteuerungen wohl eher nicht mit zu weitreichenden Kompetenzen ausstatten und Sanktionsbestimmungen - wie zum Beispiel ein Nachteilsausgleich bei Betriebsänderungen - sind Teufelswerk.
Denn wie ist es sonst zu erklären, dass auch die neue, im Jahr 2003 erst renovierte Rahmen-MAVO nach wie vor inhaltlich weit hinter den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze zurückbleibt? Warum sind kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei gleichem Arbeitsplatzrisiko schlechter geschützt als die Kolleginnen und Kollegen in der freien Wirtschaft?
Und gerade die Frauen werden immer wieder diskriminiert (natürlich nur indirekt und gar nicht gewollt!) - nur ein Beispiel: Anders als in den weltlichen Regelungen müssen im kirchlichen Bereich Teilzeitbeschäftigte MAV-Fortbildungen auch in der Freizeit durchführen.

Unmündige Mitarbeitervertetungen?

"Jede MAV hat den Dienstgeber den sie verdient" - auch in diesem Satz steckt Wahrheit. Denn selbst die eingeschränkten Rechte werden häufig von den MAVen nicht wahrgenommen. Die Mitarbeitervertreter und -vertreterinnen arbeiten zur Freude der Dienstgeber viel lieber in ihrem eigentlichen Berufsfeld, als dass sie ihre Pflichten aus dem Amt entsprechend wahrnehmen. Der Dienstgeber verletzt geltendes Recht und die MAV hat das schlechte Gewissen - das ist die Realität. Konflikte werden zu selten ausgefochten und fachliche Qualifikation findet wenig statt.

Oder geht es auch anders?

Ich meine: Ja! Denn es gibt sie, die Einrichtungen, in denen das Zusammenwirken zwischen Leitung und MAV klappt. Allerdings sind hier meiner Erfahrung nach vier Voraussetzungen Grundlage:

  • der Dienstgeber hat eine grundsätzlich positive Einstellung zum Gedanken des Dritten Weges, zur kirchlichen Betriebsverfassung, zur Mitarbeitervertretung
  • die MAV ist fachlich kompetent und stellt einen ernstzunehmenden Partner dar
  • es ist Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten vorhanden
  • die materiellen Voraussetzungen, wie Freistellungen, sachliche und personelle Unterstützung sind gegeben.

Wie buchstabiert MAV Kooperation?

Ich habe eine Vision, und die steht schon jetzt in der MAVO: "Weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Dienst in der Kirche mitgestalten und mitverantworten und an seiner religiösen Grundlage und Zielsetzung teilhaben, sollen sie auch aktiv an der Gestaltung und Entscheidung über die sie betreffenden Angelegenheiten mitwirken unter Beachtung der Verfaßtheit der Kirche, ihres Auftrages und der kirchlichen Dienstverfassung. Dies erfordert von Dienstgebern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit."

Kooperation in gemeinsamer Verantwortung und in Augenhöhe: Ja bitte!
Kooperation aus Dienstgebers Gnaden: Nein danke!

 

Wolfram Schiering