I. Zulässigkeit des Antrags
Der Antrag der Schlichtungsstelle nach der Mitarbeitervertretungsordnung
im Bistum Speyer, ein Gutachten über die Auslegung des § 26
Abs. 2 MAVO Speyer zu erstellen, ist zulässig.
Nach § 1 Abs. 2 Nr.2 der Ordnung für die Zentrale Gutachterstelle
hat diese die Aufgabe, auf Antrag einer Schlichtungsstelle schriftliche
Gutachten über die Auslegung der Mitarbeitervertretungsordnung
zu erstellen, wenn es sich um einen Fall grundsätzlicher Bedeutung
handelt. In dem Schlichtungsverfahren, das bei der MAVO-Schlichtungsstelle
Speyer anhängig ist, hat die Mitarbeitervertretung des
in den
Antrag gestellt, einen Verstoß des Dienstgebers gegen § 26
Abs. 2 i. V. mit § 27 Abs. 2 MAVO Speyer festzustellen. Die Entscheidung
der Schlichtungsstelle hängt von der Frage ab, wie § 26 Abs.
2 Satz 1 MAVO Speyer zu interpretieren ist. Die Schlichtungsstelle vertritt
dazu keine eigene Ansicht, sondern hat insoweit mit ihrer Fragestellung
die Beantwortung der Zentralen Gutachterstelle übertragen. Auf
ihren Vorlagebeschluss vom 3. April 2001 wird Bezug genommen.
Bei der klärungsbedürftigen Rechtsfrage handelt es sich
um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung, wobei hier offen bleiben
kann, ob und inwieweit die klärungsbedürftige Rechtsfrage
von grundsätzlicher Bedeutung für alle Mitarbeitervertretungsordnungen
der katholischen Kirche ist. Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung
gegeben; denn auch andere Mitarbeitervertretungsordnungen enthalten
wegen der von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deütschlands
verabschiedeten Rahmenordnung eine inhaltsgleiche Bestimmung. Die Streitfrage,
um die es geht, beschränkt sich auch nicht auf den Einzelfall sondern
bedarf sowohl abstrakt als auch konkret der Klärung, soweit es
um die Anwendung des § 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO Speyer geht.
II. Gutachten
1. Inhalt und Bedeutung des § 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO Speyer
für die Vorlage eines Stellenplans
Bei der Einleitung des Schlichtungsverfahrens galt die vom Bischof
von Speyer erlassene Mitarbeitervertretungsordnung in der Fassung vom
3. Juni1996, in Kraft seit dem 1. Juli 1996 (OberhirtlVOBl. S.206).
§ 26 Abs. 2 Satz 1 hat den folgenden Wortlaut:
Der Mitarbeitervertretung sind auf Verlangen die zur Durchführung
ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Diese Bestimmung steht, soweit es um den Stellenplan geht, in einem
Kontext mit § 27 Abs. 2 MAVO Speyer, der das lnformationsrecht
der Mitarbeitervertretung regelt. Dort heißt es: "Der Dienstgeber
informiert die Mitarbeitervertretung insbesondere über ... Anderungen
und Ergänzungen des Stellenplanes". Der Gesetzestext setzt
inzident voraus, dass über den Stellenplan informiert wird und
er insoweit zu den Unterlagen gehört, die gemäß §
26 Abs. 2 MAVO Speyer auf Verlangen der Mitarbeitervertretung vorzulegen
sind.
Die Bestimmung des § 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO entspricht §
80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, das die Betriebsverfassung für die privatrechtlich
geführten Betriebe regelt, soweit sie nicht wie hier unter §
118 Abs. 2 BetrVG fallen. Man kann zur Auslegung daher auf die zu dieser
Bestimmung vertretenen Rechtsansichten zurückgreifen, weil die
Bestimmung keine Besonderheit auf Grund der Eigenart des kirchlichen
Dienstes erfordert. § 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO Speyer beschränkt
sich allerdings im Gegensatz zu § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG darauf,
dass die Unterlagen vorzulegen sind. Sie sind also der Mitarbeitervertretung
nicht, wie in § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorgesehen, zur Verfügung
zu stellen. Der Unterschied fällt allerdings nicht gravierend ins
Gewicht. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung wäre es
zu eng, den Begriff der Vorlage auf die Einsichtnahme zu beschränken.
Vgl. zum Begriff der Vorlage in § 106 BetrVG BAG 20.11.1984
E 47, 218 = AP Nr.3 zu § 106 BetrVG 1972.
Durch die Vorlage soll gewährleistet werden, dass die Mitglieder
der Mitarbeitervertretung die Möglichkeit haben, sich auf deren
Sitzungen gründlich vorzubereiten. Es genügt daher nicht,
dass sie die Unterlagen nur in Gegenwart des Dienstgebers einsehen können;
es ist andererseits aber auch nicht erforderlich, dass dieser die Unterlagen
den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung überlässt. Da den
Dienstgeber nur eine Vorlagepflicht trifft, er also anders als nach
§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ein Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat
nicht die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen hat,
sind die Mitglieder der Mitarbeitervertretung nicht berechtigt, von
denen ihnen überlassenen Unterlagen Abschriften anzufertigen; es
steht dem aber nicht entgegen, dass sie sich an Hand der Unterlagen
Notizen machen können.
So ausdrücklich BAGE 47, 218, 227 f.
2. Begriffsbedeutung des Stellenplans für § 26 Abs. 2
Satz 1 MAVO Speyer
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 MAVO Speyer sind der Mitarbeitervertretung
"die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen"
vorzulegen. Unterlagen sind alle Aufzeichnungen, wobei sich hier aus
dem Zusammenhang mit § 27 Abs. 2 MAVO Speyer ergibt, dass ein Stellenplan
zu ihnen gehört. Damit steht aber noch keineswegs fest, was hier
unter einem Stellenplan zu verstehen ist. Für den Begriff maßgebend
ist hier wie auch sonst eine teleologische Interpretation, für
die zwei Gesichtspunkte maßgebend sind. Der eine Gesichtspunkt
bezieht sich auf den Aufgabenbezug; der Stellenplan gehört zu den
vorlagepflichtigen Unterlagen, soweit die Mitarbeitervertretung die
in ihm enthaltenen Aufzeichnungen benötigt, um ihre Aufgaben nach
der MAVO ddrchzuführen. Der andere Gesichtspunkt besteht darin,
dass der Dienstgeber nur verpflichtet wird, Unterlagen "vorzulegen",
also nicht, sie zu erstellen, auch soweit eine Personaiplanung sie aus
betriebswirtschaftlicher Sicht erfordert.
Der Begriff des Stellenplans ist im Bereich des öffentlichen
Rechts in den §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 6 Haushaltsgrundsätzegesetz
(HGrG) und §§ 14 Abs. 1 Nr. 3, 17 Abs. 5 und 6 Bundeshaushaltsordnung
(BHO) festgelegt. Danach sind Stellenpläne Anlagen zum Haushaltsplan,
die eine Übersicht über die Planstellen der Beamten und die
Stellen der Angestellten und Arbeiter enthalten. Planstellen sind nach
Besoldungsgruppen und Amtsbezeichnungen im Haushaltsplan auszubringen.
Andere Stellen als Planstellen sind in den Erläuterungen auszuweisen.
Im Bereich des - wie vorliegend - Privatrechts kann dieser Begriff des
Stellenplanes allenfalls modifiziert gelten, da es hier - mangels Dienstherrnfähigkeit
- keine Planstellen geben kann, sondern nur Stellen. Unbeschadet dieses
Unterschiedes bleiben in beiden Rechtsbereichen aber Sinn und Zweck
eines derartigen Planes insofern gleich, als er Zwecken der Personalplanung
und der Personalübersicht in möglichst präziser Form,
nämlich zugeschnitten auf einzelne organisatorisch sinnvoll abgegrenzte
Funktionsbereiche, dient. Dieser Zweck gilt auch in einem Krankenhaus,
und zwar unbeschadet der Tatsache, dass zugegebenermaßen für
ein Krankenhaus flexible Anpassungen an wechselnde Vorgaben der staatlichen
Gesetzgebung im Hinblick auf Finanzierung und Struktur von Krankenhäusern
erforderlich sind.
Da hier in Bezug auf § 26 Abs. 2 MAVO Speyer eine teleologische
Interpretation geboten ist, geht es hier um die Unterlagen, die der
Beantwortung der Frage dienen, welche Stellen (wirtschaftlich/rechtlich)
zur Verfügung stehen (abstrakter Stellenplan), und es geht ferner
um die konkrete Stellenbesetzung, um einen Vergleich des Soll- mit dem
lstzustand jederzeit zu ermöglichen. Der für die Personalplanung
vorauszusetzende abstrakte Stellenplan ist nicht notwendigerweise mit
der konkreten Stellenbesetzung identisch; letztere kann nach unten abweichen.
Falls der Dienstgeber - aus welchen Gründen auch immer - keinen
abstrakten Stellenplan hat, braucht er ihn nicht besonders für
die Vorlage an die Mitarbeitervertretung zu erstellen. Hinter dieser
Feststellung steht die Überlegung einer grundsätzlichen Chancengleichheit
zwischen Dienstgeber und Mitarbeitervertretung. Da die Mitarbeitervertretung
aber insbesondere bei Eingruppierungen im Zusammenhang mit Neueinstellungen
und bei Höhergruppierungen von Stelleninhabern - im Rahmen ihrer
personellen Mitbestimmung unter Umständen auch wertende Vergleiche
vornehmen muss, bezieht sich die lnformationspflicht des Dienstgebers
auf die Mitteilung der lstbesetzung, also auf die Beschreibung des lstzustandes,
selbst dann, wenn der Dienstgeber keine entsprechende Zusammenstellung
hat. Zu dieser Art von lststellenübersicht gehört grundsätzlich
nicht die namentliche Benennung der jeweiligen Stelleninhaber, da es
dem Wesen des Stellenplanes, wie ausgeführt, entspricht, dass er
abstrakt ist. Ausgehend von dem Aufgabenbezug gemäß §
26 Abs. 2 MAVO Speyer ist eine solche namentliche Zuordnung nur dann
erforderlich, wenn ohne sie die lststellenübersicht im Sinne der
Aufgaben der Mitarbeitervertretung nicht transparent und nachvollziehbar
ist, so dass diese nicht prüfen kann, ob z.B. im Falle einer Eingruppierung
oder einer Höhergruppierung - ein Tatbestand der §§ 34
Abs. 2 oder 35 Abs. 2 MAVO Speyer erfüllt ist.
3. Ergebnis
1. Soweit ein abstrakter Stellenplan (Sollzustand) vorhanden ist, gehört
er zu den Unterlagen, die der Mitarbeitervertretung vorzulegen sind.
2. Wenn kein abstrakter Stellenplan vorhanden ist, braucht er nicht
erstellt zu werden, um der Vorlagepflicht zu genügen.
3. In jedem Fall müssen aber die Unterlagen über den lstzustand
vorgelegt werden, die Angaben zu der Zahl der Stellen, ihre Zuordnung
zu Vergütungsgruppen, gegebenenfalls Stellenbezeichnungen und ihre
Zuordnung zu einzelnen organisatorisch sinnvoll abgegrenzten Funktionsbereichen
- z.B. im Bereich des Ärztlichen Dienstes zu Chirurgie, Orthopädie
usw. enthalten.
Prof. Dr. Reinhard Richardi
Prof. Dr. Wilhem Dütz
Prof. Dr. Siegfried Marx