Wie soll sich ein Arbeitnehmer verhalten, der von Gesetzesverstößen
seines Arbeitgebers Kenntnis hat? Wie soll er reagieren, wenn der Arbeitgeber
gegen Bestimmungen des Steuer-, Umwelt- oder Baurechts verstößt
oder gar gegen Bestimmungen zum Schutz des Arbeitnehmers selbst, etwa
des Arbeitsrechts oder des Jugendschutzes?
Grundsätzlich unterliegt der Arbeitnehmer einer allgemeinen Verschwiegenheitspflicht,
die sich sowohl als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag als auch aus
§§ 823 I, II, 826 BGB und § 17, 1 UWG ergibt.
Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auf alle Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse. Dies sind Tatsachen, die in Zusammenhang
mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem engbegrenzten Personenkreis
bekannt und nicht offenkundig sind. Diese Tatsachen sollen nach dem
Willen des Arbeitgebers im Rahmen seines berechtigten wirtschaftlichen
Interesses geheimgehalten werden.
Die Verschwiegenheitspflicht beginnt mit dem Arbeitsverhältnis
und besteht zumindest bis zu dessen rechtlicher Beendigung fort. Ob
sie auch danach gilt, ist umstritten. Jedenfalls kann dies vertraglich
vereinbart werden, was oftmals geschieht.
Andererseits ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, die ihm bekannten
Betriebsinterna zu offenbaren, um so gewichtige innerbetriebliche Mißstände
aufzudecken, die auch die Öffentlichkeit betreffen. Voraussetzung
ist allerdings, daß er zuvor den Arbeitgeber informiert und vergeblich
die Beseitigung der Mißstände gefordert hat. Zwar ist es
dem Arbeitnehmer verboten, den Arbeitgeber bei Behörden oder in
der Öffentlichkeit "anzuschwärzen". Ruf- und kreditschädigende
Mitteilungen an Dritte sind - auch wenn sie erweislich wahr sind - nur
dann erlaubt, wenn sich der Arbeitnehmer vorher innerhalb des Betriebes
um Abhilfe bemüht hat. Wenn der Arbeitnehmer also Kenntnis von
Steuerhinterziehungen des Arbeitgebers, Wettbewerbsverstößen
oder Nichtbeachtung von Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen hat, darf
er nicht ohne weiteres Strafanzeige erstatten. Er soll das mildeste
Mittel wählen. Also zunächst innerbetriebliche Abhilfe fordern,
dann Anzeige bei der zuständigen Behörde oder Standesaufsicht
erstatten, und erst wenn auch das nicht weiterhilft die Presse informieren.
Von innerbetrieblichen Bemühungen kann der Arbeitnehmer allerdings
dann absehen, wenn er den Eindruck hat, daß die Gesetzwidrigkeit
dem Arbeitgeber bekannt ist und von ihm sogar gebilligt wird oder es
sich um Straftaten gegen den Arbeitnehmer selbst handelt. Entscheidend
sind auch hier die Umstände des Einzelfalles. Nach dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit muß der Arbeitnehmer versuchen,
den unschädlichsten Weg zur Aufdeckung und Abschaffung der Mißstände
zu beschreiten.
Im Einzelfall sind die Interessen des Arbeitnehmers und die des Arbeitgebers
gegeneinander abzuwägen, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
zu beachten ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner berühmten Wallraff-Entscheidung
aus dem Jahre 1981 bereits damals festgestellt, daß selbst bei
voller Würdigung der verbleibenden Belange des Arbeitgebers die
Abwägung mit dem Interesse an freier Kritik zu dem Ergebnis führen
kann, daß der Arbeitnehmer sich nach seinem Ausscheiden über
solche Vorgänge in dem Unternehmen kritisch äußern darf,
an dem die Allgemeinheit ernstlich interessiert ist. Das gelte jedenfalls
dann, wenn es um die Aufdeckung gewichtiger Mißstände gehe,
durch die die Öffentlichkeit betroffen sei und denen durch betriebsinternes
Vorstelligwerden nicht erfolgreich begegnet werden könne ( vgl.
BGH v. 20.01. 1981 - VI ZR 162/79, NJW 1981, 1089ff ).
Wenn der Arbeitnehmer leichtfertig eine unbegründete Strafanzeige
gegen seinen Arbeitgeber erstattet, wird dies regelmäßig
eine (außerordentliche fristlose) Kündigung nach sich ziehen.
Auch wenn eine strafbare Handlung des Arbeitgebers vorliegt, durch die
der Arbeitnehmer nicht selbst betroffen ist, wird er mit einer Kündigung
rechnen müssen. Anders ist es dann, wenn sich die Straftat gegen
den Arbeitnehmer selbst richtet oder eine schwere Straftat vorliegt.
Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte im Jahre 1990 entschieden, daß
ein Bankangestellter, der durch eine Selbstanzeige nach § 371 Abgabenordnung
(AO) sich Straffreiheit verschaffen wollte auch vor einer verhaltensbedingten
Kündigung durch die Bank geschützt sei (vgl. LAG Hamm v. 12.11.1990,
LAGE § 626 BGB Nr. 54). Der Arbeitgeber dürfe den Arbeitnehmer
nicht mit arbeitsrechtlichen Sanktionen belasten, da ansonsten die gesetzgeberischen
Ziele des § 371 AO ins Leere gehen würden. Allerdings kann
sich jeder vorstellen, wie die Bank mit einem derartigen Mitarbeiter
zukünftig umgehen wird.....
Fazit: Jeder Arbeitnehmer sollte bei Kenntnis von innerbetrieblichen
Mißständen im Unternehmen vorstellig werden, etwa beim Betriebsrat.
Nur bei gravierenden unhaltbaren Zuständen oder Nichteinhaltung
von Schutzvorschriften die ihn selber betreffen sollte er nach außen
tätig werden und Anzeige erstatten. Erst wenn auch das nicht hilft,
ggf. die Presse einschalten. Er muß sich aber im klaren darüber
sein, daß der Arbeitgeber in diesen Fällen mit einer Kündigung
kontern wird und im nachfolgenden Arbeitsgerichtsprozeß das Arbeitsverhältnis
in der Regel gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wird.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in
Weilheim. Er steht für Rückfragen zu diesem Artikel unter
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