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BAG-Info Nr. 37

Informationen · Kommentare · Meinungen · Nr. 37 · April 1999

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und Wolfgang Becker-Freyseng · Caritasverband München-Freising · Hirtenstraße 4 · 80335 München

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Das Signal von Mainz

BAT-Übernahme abgelehnt! Steigt die Caritas aus?

 

Zwei Abstimmungen genügten, und schon war der "Dritte Weg" in Mainz abrupt zu Ende. Was war passiert? Die Katholische Kirche hatte anläßlich des Tarifabschlußes im Öffentlichen Dienst vorsichtig die Parole ausgegeben, der Abschluß sei verkraftbar, das Tarifpaket übernehmbar. Die Arbeitnehmer im Caritasbereich verstanden das als Signal, daß dieser Abschluß auch in ihrem Bereich übernahmefähig sei. Das war seit Jahrzehnten so Usus und wurde auch nie in Frage gestellt. Schon deswegen, weil Arbeitnehmer- wie Arbeitgeberseite die Tarifmächtigkeit abgeht, mit der man notfalls irgendein Ergebnis erzwingen könnte. Denn das gehört sich schließlich nicht für eine friedliebende Dienstgemeinschaft.

Doch diesmal war alles anders. Minuten vor Eröffnung der AK-Sitzung rückte die Dienstgeberseite ohne Not mit dem "Angebot" einer abgespeckten "BAT-light-Version heraus und ließen vollmundig verlauten, "Das - oder gar nichts". In diesem Tarif-Päckchen fehlte die Einmalzahlung für die Tarifgebiete Ost wie West, es fehlte die Vergütungsanhebung für die Auszubildenden (z.B. für Schülerinnen und Schüler der Krankenpflege und für alle sonstigen Auszubildenden), und es sollte im Tarifgebiet Ost einen unterschiedlichen Beginn der Erhöhungen geben. Die beiden untersten Lohngruppen sollten ab 1. April angehoben werden; alle anderen müßten leider, so der Dienstgebersprecher wörtlich, als "Besserverdienende auf den 1. August 99 vertröstet werden". Man hatte glatt die Unverfrorenheit, diesen Coup auch noch als "soziale Komponente" zu verkaufen. Da war aber der Bär los!

Die Dienstnehmerseite konterte ihrerseits, indem sie in aller Eile den Inhalt des Original-BAT-Tarifabschlusses als Beschlußantrag einbrachte. Und dann begann eine mehrstündige Redeschlacht. Die Dienstgeber führten ihre altbekannten Argumente ins Feld, es sei halt kein Geld da, und das wenige wolle man möglichst sozial gerecht verteilen. Der Krankenhausbereich barmte zum Steinerweichen, und selbst uralte Erziehungsprinzipien wurden wiederbelebt: Weil doch die heiklen Dienstnehmer es wagten, nach dem BAT-Filet zu schielen und die angebotene Sättigungsbeilage zu verschmähen, drohten die Dienstgebereltern: Wer die Kartoffeln nicht nimmt, kriegt für 99 überhaupt kein Fleisch mehr! Auf Deutsch: Unser Angebot ist das letzte, wenn ihr das nicht schluckt, gibt es für 99 überhaupt nichts mehr!

So glauben jedenfalls AK-Dienstgeber, ihre unbotmäßigen aber unabhängigen "Dienstgemeinschafts-Partner" in der Arbeitsrechtlichen Kommission erziehen zu müssen. (Vielleicht sollten sie erst einmal ob ihrer veralteten Erziehungsprinzipien eine Caritas-Erziehungsberatungsstelle aufsuchen, bevor sie sich wieder auf den Dritten Weg machen.)

Auf diese Weise hatte jedenfalls die Dienstgeberseite deutlich gemacht, wie sie sich künftig Verhandlungen in in der AK vorstellt: Es gibt nur, was wir gewähren.

Die Dienstnehmerseite ging mit dieser Absicht hart ins Gericht. Sie forderte die Arbeitgeber auf, endlich damit aufzuhören, die Sozialstaatskrise auf dem Rücken ihrer eigenen Beschäftigten auszutragen.

Es sei illusionär zu glauben, durch Gehaltseinschränkungen ließen sich gefährdete Bereiche, Einrichtungen oder gar Arbeitsplätze am Leben erhalten. Sie sollten sich vielmehr mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den anderen Wohlfahrtsverbänden solidarisieren, um Druck auf Politik und Kostenträger zu machen, anstatt sich gegenseitig auf einem angeblichen Markt mit angeblichen Konkurrenzvorteilen um Marktanteile zu fetzen.

Seit Ende 97 habe man schließlich die Möglichkeit.. gehabt, in echten Notsituationen von Öffnungsklauseln Gebrauch zu machen, um die finanzielle Last wenigstens zeitweise zu mindern. Man habe auch durch die Einführung von "Mobilzeit und Arbeitszeitkonten" zusätzlich die Chance bekommen, teure Überstunden zu minimieren und Arbeitszeit ökonomisch einzusetzen. Mit beiden tariflichen eingeräumten Marktvorteilen konnte die Dienstgeberseite bislang nicht punkten. Offenbar ein Managementproblem. Das Ergebnis dieses Problems: Nach einem Jahr ist die Caritas angeblich nicht mehr der Lage, die BAT-Vereinbarungen komplett zu übernehmen.

Was die Dienstgeberseite als "Verhandlungsbasis" für den Dritten Weg ansieht, ist der jeweilige BAT-Tarifabschluß minus X, minus XL oder gar XXL. Nur folgerichtig mißverstanden sie penetrant die Warnungen der Mitarbeiterseite, man habe keine Verhandlungsmächtigkeit und könne daher substantiell auf keinen Fall um die grundsätzliche Bewertung der Relation Arbeit/Geld verhandeln.

Aber wieso denn, meinten naiv die Dienstgeber, man könne doch über alles reden und verhandeln. Aber nur über ihren Vorschlag. Und man sei Tag und Nacht gesprächsbereit. Worüber, sagten sie vorsichtshalber nicht. Die Schlußabstimmung ging aus wie erwartet: 27 Dienstnehmerstimmen für die Original-BAT-Version, 26 Dienstgeberstimmen für die "light-Version" - beide abgelehnt - Patt!

Damit ist der Dritte Weg erst einmal in einer Sackgasse angelangt. Es wurde deutlich, daß keine Seite der anderen irgendetwas aufzwingen kann. Das wußte man schon vorher. Und es wurde auch klar, daß die gegenseitige "Blockade" das einzige "Machtmittel" ist, das der Dritte Weg zur Verfügung stellt. Ob das wohl reichen wird, in nächster Zeit die verfahrene Arbeitsrechtliche Kommission wieder flott zu kriegen, darf bezweifelt werden. Denn jetzt zeigt sich, daß der "Dritte Weg" da aufhört, wo der "Zweite" anfängt.

Viele (auch aus dem Dienstgeberlager) fragen sich, was die Dienstgeber in der AK wohl veranlaßt hat, sich mit einem derartigen Husarenritt zu vergaloppieren. War es das Bedürfnis, eine Scharte auszuwetzen, die man sich letztes Jahr glaubte geholt zu haben? War es der tollkühne Versuch, ein zweites Mal mit dem Kopf durch die gleiche Wand zu wollen? Reichte die Beule vom letzten Mal nicht oder entstand es seinerzeit gar größeren Schaden? Wollte man die Dienstnehmerseite überrumpeln und zu einer Panikreaktion verleiten?

Rational ist das Verhalten der Dienstgeberseite jedenfalls nicht nachvollziehbar. Zudem hat sie jetzt neben dem BAT-Problem ein neues: Wie kommt sie ohne Gesichtsverlust aus der Grube, die sie sich selbst gegraben hat. Es ist fraglich, ob die Dienstnehmerseite über das zu erwartende Einlenken der Dienstgeber ein zweites Mal das Mäntelchen christlichen Nächstenliebe breiten wird.

Etwas Gutes hatte diese Lektion allerdings: Für die am 30. März beginnende Fachtagung der Arbeitsrechtlichen Kommission, pikanterweise zum Thema "Die Weiterentwicklung der AVR" hatten beide Seiten genügend Anschauungsmaterial zum Thema "Stillstand" geliefert. An Diskussionsstoff wird es daher sicher nicht mangeln. Eher an Lösungen. Und an einem Ausweg aus der verfahrenen Situation.