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BAG-Info Nr. 30

Informationen · Kommentare · Meinungen · Nr. 30 · August 1998

Herausgegeben vom Vorstand der BAG-MAV · Postfach 25 · Ettenheim · Tel 07822/4762 · Fax 07822/896195

und Wolfgang Becker-Freyseng · Caritasverband München-Freising · Hirtenstraße 4 · 80335 München

Postfach 201143 · 80011 München Tel 089/55169-405 · Fax 089/55169-402

Wer soll das bezahlen?

Gekürzte und überarbeitete Fassung einer Rede von Wolfgang Becker-Freyseng anläßlich der "Jubiläums-Demo" am 28. Juni 1998 in München

Wir leben in einer seltsamen Zeit. Bis vor wenigen Jahren war es der Stolz eines jeden Caritasdirektors, ein neues Angebot einzuweihen, mit dem auf ein soziales Problem geantwortet wurde.

Seit kurzem sind immer mehr Caritasmanager stolz darauf, wenn sie den Abbau von Diensten und damit den Abbau von Arbeitsplätzen verkünden können. Sie werden jetzt fragen: Wie ist das möglich? Was ist da passiert? Sind soziale Probleme endgültig gelost? Das wäre doch ein toller Erfolg sozialer Arbeit und eine überzeugende Begründung für deren Auflösung.

Doch weit gefehlt! Man hat, wie Bischof Lehmann neulich in seiner Abschlußansprache auf dem Katholikentag in Mainz beklagte, ganz einfach "die Moneten gezählt", und festgestellt, daß sich soziale Dienste nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip nicht mehr rechnen. Wie kommt es zu dieser Kehrtwendung im Denken?

Noch bis vor wenigen Jahren gab es einen gesellschaftlichen Konsens, die Kosten zur Behebung oder Linderung sozialer Not gesellschaftlich aufzubringen. Sozialstaat nannte man das dahinter stehende Prinzip und verankerte es auch im Grundgesetz. Daß auch soziale Dienste rechnen mußten, war klar, aber daß sie sich rechnen müßten &endash; das ist neu. Denn seit dem neoliberalen Rückfall in die soziale Steinzeit ist es schick geworden, alles und jedes auf den Prüfstand der Wirtschaftlichkeit zu stellen und nach Kosten und Nutzen zu bewerten. Und bei dieser etwas kurzsichtigen Betrachtungsweise zeigt sich natürlich, daß sich Soziales nicht rechnet.

Und flugs haben die sozialen Steinzeitler auch das passende Vokabular parat, in Not Geratene als "Leistungsverweigerer", "Sozialschmarotzer" oder "Mißbraucher" auszugrenzen.Wer sich in unserer sogenannten Leistungsgesellschaft nicht behaupten kann, wer nicht genügend Ellenbogen besitzt, wer sich nicht durchboxen kann, der ist selbst schuld. Also raus mit diesen Leuten aus der sozialen Hängematte und rein ins gesellschaftliche Abseits.

Das Eigenartige dabei ist: Obwohl diese Leute genau diejenigen sind, um die zu kümmern sich die Caritas zum christlichen Ziel gesetzt hat und gegen deren Diffamierung sie sich öffentlich vehement zur Wehr setzt, macht die neoliberale Denke auch vor Wohlfahrtsverbänden nicht halt, zumindest wenn es um die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. So untersucht auch das Caritas-Management alle Arbeitsplätze auf ihre Ertragsfähigkeit hin. Und was stellt sich heraus? Mit den allermeisten Diensten und Einrichtungen der Caritas (oder auch der anderen Wohlfahrtsverbänden Diakonie, AWO Rotes Kreuz, Paritätischer und wie sie alle heißen), läßt sich nicht gerade der große Reibach machen! Hatten Sie das gedacht?

Betriebswirtschaftlich gesehen steht also fest, daß Caritas mehr kostet als sie einbringt. Folglich beschließt man zu sparen. Und zwar dort zu sparen, wo sich die meisten Kosten sammeln. Und das ist bei jedem sozialen Dienstleistungsunternehmen der Posten Personalkosten. Die Meßlatte z. B.: Wer nicht mindestens 70 % seiner Kosten wie auch immer wieder reinwirtschaftet, ist vom akuten Stellentod bedroht. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben also die Ehre, als Kostenfaktoren auf zwei Beinen betrachtet zu werden, die es möglichst flächendeckend einzusparen gilt, wenn sie es nicht schaffen, diese Refinanzierungshürde zu überspringen.

Man fragt sich: Soll diese Art Wirtschaftlichkeitsdenken "Was sich nicht rechnet, fliegt raus" tatsächlich das Maß aller Dinge bei der Caritas werden? Sieht so unternehmerisches Denken und Handeln im caritativen Management der Zukunft aus? Das kann es doch nicht gewesen sein!

Unternehmerisches, caritatives Denken und Handeln hieße z. B. Zukunftskonzept zu entwickeln, Handlungs-Chancen zu erkennen, kreativ neue Wege in der Finanzierung sozialer Dienste zu beschreiten, soziale Stiftungen zu initiieren, um Vermächtnisse zu werben, Spender für soziale Projekte zu begeistern und vieles ähnliche mehr.

Doch stattdessen fragt man: Rechnet sich unser Angebot überhaupt? Wie hoch ist die Refinanzierung? Decken die Einnahmen die Ausgaben? Wenn nicht, vergiß es! Allen strategisches Zielen zum Trotz wird nur kleinkrämerisch gerechnet, aber nicht weitsichtig gehandelt.

Und diesen Vorhalt muß man leider auch unserer "Holding" Kirche, machen. Auch dort wird nur brav gerechnet, werden Moneten gezählt und verteilt. Wie eine brave Hausfrau verteilt Mutter Kirche an jeden katholischen Sozialverein sein soziales Taschengeld &endash; und wenn das Haushaltsgeld nicht langt, wird halt "gerecht" gekürzt, dann kriegen alle weniger.

Von unserer Kirche aber erwartet wir mehr als Haushaltssicherung und Ausgabendisziplin! Wir fordern von ihr die Übernahme unternehmerischer Verantwortung! Und das heißt: Erarbeitung eines längerfristigen Finanzierungskonzeptes, das die Caritas in die Lage versetzt, während einer begrenzten Übergangszeit ihr differenziertes und professionelles Hilfsangebot bedarfsgerecht aufrecht zu erhalten. Und zwar solange, bis die soziale und arbeitsmarktpolitische Situation wieder mehr Einnahmen zuläßt und damit wieder die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Caritas gesichert ist.

Zu diesem Langzeitkonzept gehören aber auch Investitionen, und zwar Investitionen in Arbeitsplätze im Sozialbereich! Denn jetzt besteht Bedarf an vielfältiger Hilfe und Beratung! Jetzt brauchen wir einen spürbaren Beitrag der Kirche zur Verringerung der Arbeitslosigkeit &endash; aber keine Beihilfe zu deren Vermehrung!

Natürlich, und das ist uns auch klar, sind das Investitionen auf Zukunft, die sich, wenn überhaupt, vielleicht erst viel später, und dann wohl auch nur volkswirtschaftlich rechnen. Oft wird der Caritas vorgeworfen, sie wurde viel zu lange an bereits überholten Diensten und Konzepten kleben und sei deshalb zu aufgebläht und zu unbeweglich. Der Abbau von sozialen Diensten ist kein Tabu. Natürlich sind alle sozialen Dienste auch danach zu befragen, ob sie tatsächlich noch notwendig sind. Die Frage dabei muß sein, ob ein Dienst oder eine Einrichtung noch eine Lösung darstellt oder bereits Teil des Problems geworden ist. Und diese Frage muß gestellt und beantwortet werden. Doch an sozialer Arbeit zu sparen, solange sie noch unbestritten notwendig ist, ist Sparen am falschen Fleck. Das Ergebnis kann nur unsozial für alle sein: Nämlich ein Verlust an sozialer Infrastruktur für alle Bürgerinnen und Bürger, gleich welcher Konfession.

Machen wir uns nichts vor: Die Bischöfe allein können es nicht richten, sondern nur alle gesellschaftlichen Kräften und Institutionen, die Interesse und Verantwortung am Erhalt oder an der Wiederherstellung unserer Sozialstruktur haben. Diesen gesellschaftlich relevanten Kräften gilt der Appell:

Helfen Sie nach Ihren Möglichkeiten mit, den drohenden Kahlschlag an sozialen Diensten, an Einrichtungen und Arbeitsplätzen zu verhindern! Wir brauchen dringend einen neuen gesellschaftlichen Konsens über die Finanzierung der sozialen Arbeit. Vom sogenannten "Markt" haben wir absolut nichts zu erwarten.

 

Allmählicher Ausstieg....

Seit mehr als einem Jahrzehnt gehörte er zum Inventar jeder besseren DiAG- Versammlung und jedes BAG-MAV Treffens: Franz-Josef Dorenkamp, der Unermüdliche aus Osnabrück. Dort, in seinem Stammsitz, dem Marienhospital, lenkte er die Geschicke der örtlichen MAV, brachte vor über 12 Jahren die Osnabrücker DiAG auf die Beine, kümmert er sich seit mehreren Amtsperioden um die Belange der AVR-Kolleginnen und Kollegen in der Diözese Osnabrück als deren Vertreter in der Arbeitsrechtlichen Kommission.

Wo immer er auftaucht, fängt Arbeit jeglicher Art zu zittern an. Da hilft ihr kein Gezeter und Geschrei: sie wird erledigt! Basta! Was auch immer an Aufgaben ihm angetragen wird, Franz-Josef ziert sich nicht lange, er holt tief Luft und spricht Jou, mach' ich! So kennt man ihn seit über einem Jahrzehnt als den freundlichen, hilfsbereiten Kollegen, stets zu einem Scherz aufgelegt, immer ein paar interessante Kopien in der Hand, selten im Vordergrund, aber immer da, wenn er gebraucht wird. Schon seine Standardbegrüßung "Mensch..., welche Freude" läßt es einem warm ums Herz werden, und er meint es auch tatsächlich so und schickt sein strahlendes Lachen hinterher. Franz-Josef achtet auf Stil und Etikette, und so manche Veranstaltung hat er vor dem Absturz in Peinlichkeit bewahrt, indem er sie durch artig gesetzte Dankes-Worte an die Veranstalter zu einem würdigen Abschluß brachte.

Doch auch an ihm geht die schwindende Jugendlichkeit nicht spurlos vorbei. In den letzten Jahren ward er von manch körperlicher Unbill angefallen, mußte sich mehreren nicht ganz einfachen Operationen unterziehen. Gott sei Dank hat er sie alle leidlich gut überstanden. Konsequent wie er ist, hat er danach sogar das Rauchen aufgegeben, bemüht sich gar umsolide Gepflogenheiten beim täglichen Bettgang. Auch in dieser Hinsicht treu seinem Motto: Wat mutt, dat mutt!

Seinen 60. Geburtstag hat er erst neulich heimlich still und leise im Verborgenen gefeiert. Mit dem großen Tam-Tam hatte er es noch nie, schon gar nicht für sich persönlich. Und so kam er bei der letzten Osnabrücker DiAG-Versammlung in Lingen fast ins Schleudern, als er sich anläßlich seiner Entscheidung, aus der DiAG-Mühle auszusteigen und nicht mehr zukandidieren, plötzlich mannigfachen Lobreden ausgesetzt sah. Selbst der BAG-Vorstand, komplett zu einer Vorstandssitzung angereist, ließ es sich nicht nehmen, Franz-Josef's Taten in einem 6-stimmigen Ständchen zu rühmen. Gar manch sinniges Geschenk lockte bei dieser Gelegenheit mit dem Hinweis auf künftig mehr Freizeit &endash; als ob die für Franz-Josef gar so erstrebenswert wäre. Er wußte sich schon immer sinnvoll zu beschäftigen, ob man das dann Arbeit oder Freizeit nannte, war ihm eigentlich egal, er stand bei allem was er machte, stets voll dahinter. Und so wird er wohl auch den langen Abschied in den Ruhestand angehen, mit langem Atem und Anlauf, zielstrebig, konsequent und umsichtig. Für eine weitere Amtszeit in der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes wird er wohl noch einmal in den Ring steigen, doch das aufreibende MAV-Tagesgeschäft wird er wohl dem hauseigenen Nachwuchs überlassen. Franz-Josef Dorenkamp hat auf seine Weise und in seiner Art vorbildhaft prägend und stilbildend in der MAV-Arbeit gewirkt und seine Spuren hinterlassen. Auch wenn er demnächst manches Amtes Bürde ledig ist &endash; wir freuen uns, ihn weiterhin mit seiner Herzlichkeit und seinem Sachverstand als liebenswerten Freund unter uns zu wissen.

Danke, Franz-Josef!