Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, 29.06.2004
WSI warnt vor europäischem Arbeitszeitwettlauf
Eine allgemeine Verlängerung der tariflichen Arbeitszeiten in
Deutschland hätte beschäftigungspolitisch höchst problematische
Konsequenzen und würde einen gefährlichen europäischen
Wettlauf um die Arbeitszeitdauer in Gang setzen.
Die tarifvertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeiten in Deutschland
liegen mit durchschnittlich 37,7 Stunden im (west-) europäischen
Mittelfeld. Große europäische Länder wie Frankreich
und Großbritannien, aber auch kleinere Länder wie die Niederlande,
Dänemark, Norwegen und Finnland weisen noch kürzere tarifliche
Wochenarbeitszeiten auf als Deutschland.
Dagegen dominiert in den meisten neuen EU-Staaten Mittel- und Osteuropas
nach wie vor die 40-Stunden-Woche. Darauf hat das Tarifarchiv des Wirtschafts-
und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans-Böckler-Stiftung
am Dienstag in Düsseldorf aufmerksam gemacht. Im europäischen
Vergleich weisen die deutschen tariflichen Arbeitszeitbestimmungen ein
Höchstmaß an flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten auf.
Dazu gehören u.a. Arbeitszeitkorridore, Möglichkeit zur (dauerhaften)
Arbeitszeitverlängerung und (befristeten) Arbeitszeitverkürzung
mit und ohne Lohnausgleich, ungleichmäßige Verteilung der
Arbeitszeit, lange Ausgleichszeiträume von bis zu drei Jahren,
Kurz- und Langzeitkonten, Möglichkeit zur Mehrarbeit.
Die tarifliche Wochenarbeitszeit in Deutschland fällt sehr unterschiedlich
aus: In Ostdeutschland liegt sie mit 39,0 Stunden deutlich höher
als in Westdeutschland mit 37,4 Stunden. Die kürzeste tarifliche
Wochenarbeitszeit weisen mit 35 Stunden die westdeutsche Metall- und
Elektroindustrie und die Druckindustrie auf, im Mittelfeld rangieren
der Einzelhandel (37 Std.) und die chemische Industrie (37,5 Std.),
längere Arbeitszeiten haben der öffentliche Dienst (38,5 Std.),
das Bauhauptgewerbe und die Banken (je 39 Std.).