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Arbeitgeber verlangen eine höhere Eigenbeteiligung
zur Finanzierung der Zusatzversorgung
Die Tarifverhandlungen zur Neu-/Umgestaltung der Zusatzversorgung (vgl.
TS-berichtet Nr. 66/01 vom 19.08.2001 und Flugblatt Nr. 4) sind am 6./7. September 2001
in Stuttgart im Sondierungskreis fortgesetzt worden. Lediglich in einem
Punkt konnte Einvernehmen festgestellt werden: Das unter den derzeitigen
Bedingungen nicht mehr finanzierbare Gesamtversorgungssystem muß
umgebaut werden. Über den Weg dahin bestehen aber nach wie vor
unüberbrückbare Meinungsunterschiede. Die von den Tarifvertragsparteien
mit der Beratung beauftragten Sachverständigen (Heubeck AG) sind
gebeten worden, Berechnungen zu den finanziellen Dimensionen der unterschiedlichen
Ansätze zur Lösung der anstehenden Probleme anzustellen (Der
erteilte Auftrag ist als Anlage 1 beigefügt). Erste Ergebnisse
sollen in einem weiteren Sondierungstermin am 26.9.2001 vorliegen. Deren
Bewertung und die daraus zu ziehenden Schlußfolgerrungen werden
den weiteren Fortgang der Verhandlungen entscheidend beeinflussen.
In der letzten Verhandlungsrunde hatte ver.di den Arbeitgebern die
aus gewerkschaftlicher Sicht einzig machbaren Vorstellungen zur Umgestaltung
des Zusatzversorgungssystems unterbreitet. Die Forderungen lassen sich
in vier Punkten wie folgt zusammenfassen:
- Das derzeitige Gesamtversorgungssystem ist durch ein neues, tarifvertraglich
geregeltes, kapitalgedecktes System der betrieblichen Altersversorgung
abzulösen.
- Das neue System (Endgehaltsmodell bzw. Punktemodell) ist unter Berücksichtigung
der steuerlichen Förderung (§ 3 Nr. 63 EStG) zu konzipieren.
Das Niveau der zu erreichenden Versorgung ist an dem derzeitigen Niveau
(unter Einschluss einer nach § 10a EStG geförderten Altersvorsorge)
auszurichten. Insbesondere für den Bereich der neuen Bundesländer
sind Mindestbetragsregelungen vorzusehen.
- Über Anpassungen (Dynamisierungen) ist tarifvertraglich gesondert
zu entscheiden.
- Rentenleistungen sowie erworbene Anwartschaften sind in das neue
Systems zu überführen. Die hierfür aufzubringenden
Mittel sind unter Einschluß der vorhandenen Vermögen der
Zusatzversorgungseinrichtungen von den Arbeitgebern bereitzustellen.
- Steuerliche Gleichbehandlung notwendig -
Während kapitalgedeckte Versorgungsmodelle in der Ansparphase
steuer- und sozialversicherungsfrei sind, suchen die Arbeitgeber nach
einem Modell mit dem diese Befreiung für die Arbeitnehmer/innen
im öffentlichen Dienst verhindert werden kann. Die vom Gesetzgeber
gewollte Entlastung bei der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung
soll wegen der Einnahmeverluste bei den Steuern und Sozialabgaben nicht
gelten.
- Sicherung der Renten und Anwartschaften wichtig -
Zur Sicherung bereits erworbenen Rentenansprüche und Anwartschaften
werden bis 2008 rund 2 Prozent zusätzlich benötigt. Hieran
sollen sich die Arbeitnehmer/innen zur Hälfte beteiligen.
- Dynamisierung sichern -
Die Arbeitgeber fordern die Versorgungsrente nach dem "alten Recht"
wegen der Finanzlücken um etwa 20 Prozent zu reduzieren. Weiter
soll in den nächsten sieben Jahren die Rentenanpassung ausgesetzt
werden. Zur Auffüllung dieser Versorgungslücke soll die "Riester-Rente"
genutzt werden, d.h. die Arbeitnehmer/innen können dieses Loch
mit steuerlich geförderten Eigenmitteln auffüllen. Wenn bei
einer Finanzierung der Leistungen nach dem "alten" Gesamtversorgungsrecht
noch Mittel übrig bleiben, sollen diese nach dem Willen der Arbeitgeber
für eine neue kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung genutzt
werden.
Die Vorstellungen der Arbeitgeber lassen sich im Kern wie folgt zusammenfassen:
- Abkehr vom Gesamtversorgungssystem
- Ungleichbehandlung bei der Steuer
- Erhöhung der bisherigen Belastung um etwa 1 Prozent
- Absenkung des Versorgungsniveaus um ca. 20 Prozent
- keine Niveausicherung der erworbenen Renten und Anwartschaften
- Abwälzung der künftigen Versorgungslast auf die Arbeitnehmer
Zu den unterschiedlichen Ansätze zur künftigen Finanzierung
der Zusatzversorgung ist festzuhalten:
ver.di vertritt folgende Positionen:
- Die Finanzierung der Besitzstandsrenten (einschließlich deren
künftiger Erhöhungen) erfolgt ausschließlich durch
die Arbeitgeber.
- Die Finanzierung der Leistungszuwächse für künftige
Versicherungsjahre wird durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer finanziert.
Dabei wird Kapitaldeckung zur Nutzung der Bestimmungen in § 3
Nr. 63 EStG angestrebt.
Die Arbeitgeber halten dagegen an folgenden Positionen fest:
- Die künftige Finanzierung hat sowohl Umlageelemente als auch
kapitalgedeckte Elemente:
- Behandlung der erreichten Umlagesätze nach dem bisherigen Verfahren.
- Darüber hinausgehende Belastung wird je hälftig von Arbeitnehmer
und Arbeitgeber getragen.
ver.di hat noch einmal klargestellt, daß die Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes gegenüber den übrigen 20 Millionen
Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen nicht schlechter gestellt werden
dürfen. Gesetzgeberische Möglichkeiten, die zu einer Lösung
der Finanzprobleme in der Zusatzversorgung beitragen können, dürfen
nicht mit Hinweis auf Haushaltsprobleme verweigert werden. Ebenso wenig
wie Steuerrückflüsse bei Lohn- und Vergütungstarifverhandlungen
eine Rolle spielen, dürfen mögliche Steuermindereinnahmen
bei Bund und Ländern eine machbare Regelung in der Zusatzversorgung
nicht verhindern.
Die Tarifverhandlungen werden am 30. und 31. Oktober 2001 fortgesetzt
und sollen nach der bisherigen Planung noch im November zum Abschluß
gebracht werden. Ob dies allerdings vor dem Hintergrund der vorgelegten
Arbeitgebervorstellungen gelingen wird, scheint zweifelhaft.
Über den Sondierungstermin am 26.9.2001 und unsere hierauf geplanten
Reaktionen wird zeitnah informiert.
Anlage 1
zu TS-berichtet Nr. 73/01
Gemeinsamer Arbeitsauftrag
1 . Durch Einführung eines Punktemodells werden die Voraussetzungen
geschaffen für die Riester-Rente (kapitalgedeckt aus steuergeförderten
und sozialversicherungsbefreiten Arbeitnehmerbeiträgen).
2. Die Anwartschaften und Renten, die sich aus dem Punktemodell
ergeben, werden wie bisher umlagefinanziert, erhalten aber die Rechtssicherheit
eines kapitalgedeckten Systems (Als-Ob-Regelung).
3. Die Belastungen der Arbeitnehmer durch Umlagen, Steuern und
Sozialabgaben sind gegenüber dem status quo in der Summe
unverändert zu lassen (Gewerkschaften),
leicht anzuheben (Arbeitgeber).
4. Offen ist die Frage der Dynamisierung von transferierten Renten
und Anwartschaften.
5. Gerechnet werden soll sowohl eine Steuer- und Sozialversicherungsbefreiung
von Umlagen oberhalb von 7,7 v.H. als auch eine teilweise bzw. vollständige
Steuer- und Sozialversicherungsbefreiung.
6. Der Versicherungsmathematiker wird gebeten das Punktemodell
insgesamt, für die fünf Referenzkassen (Messbetrag und Regelbeitrag)
und für ausgewählte Eckpersonen (Beitrag und Rentenniveau)
darzustellen.
7. Weitere offene Punkte aus der Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber
sind zu präzisieren (Expertengruppe).