Wie nicht anders zu erwarten war, haben kirchliche Institutionen dem
von der Dienstleistungsgewerkschaft "ver.di" vorgelegten Gutachten zum
Streikrecht kirchlicher Arbeitnehmer widersprochen. Die Behautpung,
Streiks seien bei Kirchen und Wohlfahrtsverbänden zulässig, stehe im
Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erklärte
die Erzdiözese Freiburg am 01.06.2001 und wies darauf hin, dass der
von den Kirchen im Arbeitsrecht eingeschlagene "Dritte Weg" beim Bundesverfassungsgericht
und in der juristischen Wissenschaft voll anerkannt sei. Er gestattet
den Kirchen, ihr Arbeitsrecht selber zu regeln. Der "Dritte Weg" hat
nach Ansicht des Erzbistums eine "eindeutige Grundlage im Grundgesetz".
Von der evangelischen Seite wird betont, in Kirche und Diakonie könne
es keinen Arbeitskampf geben, da Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Dienstgemeinschaft
bildeten, in der beide Seiten gemeinsam an der Erfüllung des kirchlichen
Auftrags mitwirkten und alle Beschäftigten trügen dazu bei, dass die
kirchlichen Einrichtungen ihren Teil des Sendungsauftrags der Kirche
erfüllen könnten. Auf diesem Gedanken beruhe die kirchliche Dienstgemeinschaft
und es sei ausgeschlossen, durch offenen Druck gegeneinander die Änderung
von Arbeitsbedingungen erzwingen zu wollen. Auch der Deutsche Caritasverband
widerspricht dem Gutachten und sieht das kirchliche Arbeitsrecht auf
der Grundlage des Grundgesetzes. Die Gewerkschaft "ver.di" hatte am
31.05.2001 in Stuttgart ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters
Jürgen Kühling vorgelegt, in dem es heißt, das Recht der kirchlichen
Angestellten auf Koalitionsfreiheit schließe das Streikrecht mit ein.
Der Vorsitzende von "ver.di", Frank Bsirske, hatte angekündigt, die
Gewerkschaft werde zum Streik aufrufen, falls die Kirchen auch künftig
keine Bereitschaft zu Tarifverhandlungen für die Mehrzahl ihrer insgesamt
1,2 Millionen Beschäftigten zeigten. Die Kirchen sind der zweitgrößte
öffentliche Arbeitgeber in Deutschland. Aber was sich mit dem Streikrecht
erreichen läßt, haben gerade erst die Piloten der Lufthansa
mit dem Modell "Cockpit" vorgemacht: Gehaltserhöhungen
von fast 30%: 12% mehr Gehalt plus zwei zusätzliche Monatsgehälter
im Jahr. Im Übrigen brauchen wir uns doch nichts vormachen: Alle
tariflichen Erhöhungen im kirchlichen Bereich beruhen auf den von
den Gewerkschaften - vor allem der ÖTV - erkämpften Gehaltssteigerungen
- die Kirchen haben einfach abgeschrieben und den Arbeitskampf so außen
vor gelassen. Das mag ja auch sein - doch wenn, wie es immer deutlicher
wird, man nicht mehr abschreiben will und eigene Regelungen anstrebt,
dann geht es nicht ohne entsprechende Gestaltungsmacht der Mitarbeiterseite.
Denn sonst werden die kirchlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
über kurz oder lang von den Entwicklungen abgekoppelt.