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Nach einer am 31.05.2001 in Stuttgart vorgestellten Studie
ist Streik auch im kirchlichen Bereich rechtmäßig. Im Auftrag
der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat Dr. Jürgen
Kühling, Richter am Bundesverfassungsgericht a.D., die Frage untersucht,
ob die Kirchen und ihre Einrichtungen den Beschäftigten und ihrer
Gewerkschaft Arbeitskampfmaßnahmen verbieten können. Die
kirchlichen Arbeitgeber hatten das bisher immer behauptet und vor diesem
Hintergrund den Abschluss von Tarifverträgen für ihre rund
1,2 Millionen Beschäftigten verweigert. "Wir wollten Klärung,
ob hier nicht eine riesige Gruppe Arbeitnehmer um ihre verfassungmäßigen
Rechte gebracht werden", sagte der ver.di Vorsitzende Frank Bsirske
bei der Vorstellung des Gutachtens. "Jetzt sind die Kirchen am Zug."
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Arbeitskämpfe, die beide
Kirchen den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft verweigern wollen,
von dem im Grundgesetz verankerten Grundrecht auf Koalitionsfreiheit
abgedeckt seien. Dieses Grundrecht gewährleiste Arbeitnehmern und
ihren Gewerkschaften vorbehaltlos die kollektive Wahrung ihrer Interessen
und schließe das Streikrecht ein. Auch im öffentlichen Dienst
dürfe für Tarifforderungen gestreikt werden. Der verfassungsrechtliche
Schutz ginge so weit, dass Arbeitskämpfe selbst in Notstandslagen
weder verboten noch durch eine staatliche Zwangsschlichtung ersetzt
werden dürften. Obwohl das Recht der Religionsgesellschaften, ihre
Angelegenheiten selbständig zu regeln, ebenfalls Verfassungsrang
habe, dürften diese sich nicht über die Grundprinzipien unserer
Rechtsordnung hinwegsetzen. In dem Gutachten wird außerdem festgestellt,
dass der so genannte Dritte Weg zur kollektiven Regelung von Entgelten
und Arbeitsbedingungen kein Ersatz für den weitgehenden Verlust
der Koalitionsfreiheit der Kirchenbeschäftigten ist. Er verwehre
den Koalitionen jeden nennenswerten Einfluss auf die Festsetzung der
Löhne und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Gerade diese Aufgabe
weise ihnen die Verfassung aber zu. Die evangelische und die katholische
Kirche sind zusammen mit ihren Wohlfahrtsverbänden Diakonie und
Caritas nach dem öffentlichen Dienst der zweitgrößte
Arbeitgeber in Deutschland.