Die Mitarbeiter in kirchlichen Betrieben bleiben von der Unternehmensmitbestimmung
ausgeschlossen. So der neueste Stand des Novellierungsverfahrens zur
Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), dem
Betriebsverfassungsgesetz der katholischen Kirche.
Auf der Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen
in Ludwigshafen herrschte nach Information der NEUEN BILDPOST Betroffenheit
und Empörung über das Eckpunktepapier des unabhängigen
Rechtsexperten Dr. Gregor Thüsing. Was in weltlichen Unternehmen
durch das Gesetz geregelt ist, was viele Betriebe freiwillig einführen,
da es einer zeitgemäßen modernen Unternehmensführung
entspricht, entfällt demnach für die 500.000 Caritas-Beschäftigen.
Ihnen gewährt man keinen Platz im Aufsichtsrat, sie bekommen keinen
Einblick in die Bilanzen und Betriebszahlen.
Gehälter blieben aus, und Entlassungen standen auf der Tagesordnung.
Die Zahlungsunfähigkeit des Deutschen Ordens ist den Mitarbeitern
noch gut In Erinnerung. Man ließ sie im Ungewissen, bis die Lage
eskalierte. Wären die Mitarbeiter an den wirtschaftlichen Angelegenheiten
beteiligt gewesen, wie es das Unternehmensmitbestimmungsrecht vorsieht,
hätten sie vorzeitig in die Bilanzen Einsicht nehmen und der drohenden
Situation anders entgegensehen können.
Trotz dieser Erfahrung sieht es nicht so aus, daß die Novelle
der Rahmenordnung für die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO),
die zur Zeit in der katholischen Kirche ausgehandelt wird, den Beschäftigten
diese Rechte einräumt. Da die Kirchen in Deutschland weitgehende
Autonomie genießen, greift für ihre Betriebe das Unternehmensmitbestimmungsgesetz
genauso wenig wie das Betriebsverfassungsgesetz. Entsprechende Fragen
regelt die MAVO.
Dabei besteht jedoch durch die Tatsache, daß die Kirche als Gesetzgeber
fungiert, die Gefahr, daß jegliche Rahmenordnung für die
Mitarbeitervertretung dienstgeberlastig werden kann. Deshalb ist auch
Wolfram Schiering, Sprecher des MAVO-Novellierungsausschusses der Dienstnehmerseite
so enttäuscht, daß trotz des außenstehenden Rechtsexperten
Professor Dr. Gregor Thüsing, der den neuen Entwurf erarbeiten
soll, die Dienstgeber erneut den Ton angeben.
"Anlaß für die Novellierung sind Europarechtliche
Vorgaben, die in kirchliches Arbeitsrecht umgesetzt werden müssen",
berichtet Reiner Sroka, Sprecher des MAVO-Novellierungssusschusses von
Dienstgeberseite.
Zudem verlangten vor allem die sich änndernden Strukturen der
kirchlichen Betriebe und Einrichtungen neue Regelungen. So manche der
25.000 Caritas Einrichtungen, die einst als GmbH gegründet wurde,
beschaftigt nun mehr als 2.000 Menschen. Diese Einrichtungen müssen
sich als Sozialdienstleister unter marktwirtschaftlichen Bedingungen
behaupten und mit Privatbetrieben konkurrieren. Deshalb sei es nötig,
jetzt eindeutige Regelungen für die Unternehmensmitbestimmung der
Mitarbeiter zu treffen, stellt die Expertin für kirchliches Arbeitsrecht,
Professor Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch, klar. Sonst bestehe weiter
hin die Gefahr, daß die Beschäftigten wie beim Deutschen
Orden jeglichem Mißmanagement schutzlos ausgeliefert seien.
Um so größer ist dann die Enttäuschung bei den beteiligten
Dienstnehmervertretern. "Wir bekommen erst Einblick in die Bücher,
wenn der Karren in den Dreck gefahren ist. Das muß aufhören",
so Wolfram Schiering. Er sieht in dem Eckpunktepapier eine restriktive
Entwicklung unter dem Mantel der besonderen Stellung der Kirche, die
letztlich den Weg in eine moderne Firmenführung behindert.
Günter Däggelmann, Vorsitzender der Bundesgemeinschaft der
Mitarbeitervertretungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz,
sieht in der Information und Konsultation in wirtschaftlichen Angelegenheiten
und in der Unternehmensmitbestimmung eine nötige Kontrollinstanz,
die sich überall durchsetzt. "In einzelnen Caritas-Krankenhausbetrieben
gibt es jetzt schon entsprechende Veränderungen."
Um so verwunderlicher ist es, daß die Vorschläge von Gregor
Thüsing dies nicht berücksichtigen. Jetzt kommt es darauf
an, inwieweit Dienstnehmer und Dienstgeber gemeinsam diese Schwächen
des Papiers beseitigen können.