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Mitarbeiter der Caritas ohne Mitbestimmung

NEUE BILDPOST 29.11.2001 von Alfred Herrmann

Die Mitarbeiter in kirchlichen Betrieben bleiben von der Unternehmensmitbestimmung ausgeschlossen. So der neueste Stand des Novellierungsverfahrens zur Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), dem Betriebsverfassungsgesetz der katholischen Kirche.

Auf der Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen in Ludwigshafen herrschte nach Information der NEUEN BILDPOST Betroffenheit und Empörung über das Eckpunktepapier des unabhängigen Rechtsexperten Dr. Gregor Thüsing. Was in weltlichen Unternehmen durch das Gesetz geregelt ist, was viele Betriebe freiwillig einführen, da es einer zeitgemäßen modernen Unternehmensführung entspricht, entfällt demnach für die 500.000 Caritas-Beschäftigen. Ihnen gewährt man keinen Platz im Aufsichtsrat, sie bekommen keinen Einblick in die Bilanzen und Betriebszahlen.

Gehälter blieben aus, und Entlassungen standen auf der Tagesordnung. Die Zahlungsunfähigkeit des Deutschen Ordens ist den Mitarbeitern noch gut In Erinnerung. Man ließ sie im Ungewissen, bis die Lage eskalierte. Wären die Mitarbeiter an den wirtschaftlichen Angelegenheiten beteiligt gewesen, wie es das Unternehmensmitbestimmungsrecht vorsieht, hätten sie vorzeitig in die Bilanzen Einsicht nehmen und der drohenden Situation anders entgegensehen können.

Trotz dieser Erfahrung sieht es nicht so aus, daß die Novelle der Rahmenordnung für die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO), die zur Zeit in der katholischen Kirche ausgehandelt wird, den Beschäftigten diese Rechte einräumt. Da die Kirchen in Deutschland weitgehende Autonomie genießen, greift für ihre Betriebe das Unternehmensmitbestimmungsgesetz genauso wenig wie das Betriebsverfassungsgesetz. Entsprechende Fragen regelt die MAVO.

Dabei besteht jedoch durch die Tatsache, daß die Kirche als Gesetzgeber fungiert, die Gefahr, daß jegliche Rahmenordnung für die Mitarbeitervertretung dienstgeberlastig werden kann. Deshalb ist auch Wolfram Schiering, Sprecher des MAVO-Novellierungsausschusses der Dienstnehmerseite so enttäuscht, daß trotz des außenstehenden Rechtsexperten Professor Dr. Gregor Thüsing, der den neuen Entwurf erarbeiten soll, die Dienstgeber erneut den Ton angeben.

"Anlaß für die Novellierung sind Europarechtliche Vorgaben, die in kirchliches Arbeitsrecht umgesetzt werden müssen", berichtet Reiner Sroka, Sprecher des MAVO-Novellierungssusschusses von Dienstgeberseite.

Zudem verlangten vor allem die sich änndernden Strukturen der kirchlichen Betriebe und Einrichtungen neue Regelungen. So manche der 25.000 Caritas Einrichtungen, die einst als GmbH gegründet wurde, beschaftigt nun mehr als 2.000 Menschen. Diese Einrichtungen müssen sich als Sozialdienstleister unter marktwirtschaftlichen Bedingungen behaupten und mit Privatbetrieben konkurrieren. Deshalb sei es nötig, jetzt eindeutige Regelungen für die Unternehmensmitbestimmung der Mitarbeiter zu treffen, stellt die Expertin für kirchliches Arbeitsrecht, Professor Dr. Renate Oxenknecht-Witzsch, klar. Sonst bestehe weiter hin die Gefahr, daß die Beschäftigten wie beim Deutschen Orden jeglichem Mißmanagement schutzlos ausgeliefert seien.

Um so größer ist dann die Enttäuschung bei den beteiligten Dienstnehmervertretern. "Wir bekommen erst Einblick in die Bücher, wenn der Karren in den Dreck gefahren ist. Das muß aufhören", so Wolfram Schiering. Er sieht in dem Eckpunktepapier eine restriktive Entwicklung unter dem Mantel der besonderen Stellung der Kirche, die letztlich den Weg in eine moderne Firmenführung behindert.

Günter Däggelmann, Vorsitzender der Bundesgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz, sieht in der Information und Konsultation in wirtschaftlichen Angelegenheiten und in der Unternehmensmitbestimmung eine nötige Kontrollinstanz, die sich überall durchsetzt. "In einzelnen Caritas-Krankenhausbetrieben gibt es jetzt schon entsprechende Veränderungen."

Um so verwunderlicher ist es, daß die Vorschläge von Gregor Thüsing dies nicht berücksichtigen. Jetzt kommt es darauf an, inwieweit Dienstnehmer und Dienstgeber gemeinsam diese Schwächen des Papiers beseitigen können.