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Umbau Caritas: Interviews mit Schwester Basina Kloos (Aufsichtsratsvorsitzende der St. Elisabeth GmbH) und BAG-Vorsitzendem Günter Däggelmann

B5 aktuell/Kirche, Sonntag 19. März 2000, 6.05 Uhr und 15:45 Uhr:

Die Caritas, mit über 500000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber im Land, steht vor dem Umbau.

Denn was da so gewaltig wirkt, das ist im Grunde nur ein Dachverband für eine Fülle verschiedenster Aktivitäten, wo man weitgehend selbständig nebeneinander her arbeitet: große Krankenhäuser etwa, kleine Sozialstationen oder Beratungseinrichtungen für Ausländer und Flüchtlinge.
Die zehn größten Trägereinrichtungen der Caritas haben sich nun zusammengeschlossen und vom Verband (DCV Anm.d. Red.) in ultimativer Form eine umfassende Strukturreform gefordert. Ihrer Meinung nach soll die Caritas zu einem schlagkräftigen Arbeitgeberverband werden und die Anwaltschaft für Verfolgte, Rechtlose und Arme davon deutlich abgrenzen.

Tilman Kleinjung mit Einzelheiten:

Im deutschen Wohlfahrtswesen wird in einigen Jahren nichts mehr so sein wie heute. Dann müssen sich nämlich auch soziale und caritative Einrichtungen auf den europäischen Markt einstellen. Die europäischen Wettbewerbshüter werden eine strenge Trennung zwischen marktfähigen und geschützten Bereichen fordern.
Krankenhäuser, Altenheime müssen sich dann wohl dem europäischen Konkurrenzkampf stellen und möglicherweise auch auf das Attribut gemeinnützig verzichten. Für die Träger dieser Einrichtungen bedeutet das, sie müssen noch stärker als heute wie ganz normale Unternehmen agieren, um im Buhlen um die Gunst der Kunden nicht den Kürzeren zu ziehen.
Doch genau das wird passieren, wenn sich an den traditionellen Verbandsstrukturen der Caritas nichts Grundlegendes ändert, befürchtet Sr. Basina Kloos von den Waldbreitbacher Franziskanerinnen:

Sr. Basina Kloos:

"Der Caritasverband hat ja zur Zeit das Problem, dass er einmal für die Klienten steht und Anwaltsfunktion übernimmt, auch übernehmen muß und andererseits für Anbieter stehen muss, so ist die Struktur zur Zeit und das ist eine schwierige Situation."

Da muß es zu einer deutlichen Trennung kommen, fordert.Sr. Basina, die den Häusern der Waldbreitbacher Franziskanerinnen vorsteht. 60 Einrichtungen, Krankenhäuser, Jugend- und Altenheime nennen die Schwestern ihr Eigen. 14000 Beschäftigte arbeiten dort, ein richtiger Wohlfahrtskonzern also.

Und genau so wollen die Schwestern in Zukunft auch auftreten. Dazu gehört neben dem entsprechenden betriebswirtschaftlichen Knowhow auch eine schlagkräftige Spitzenverbandsvertretung. Diese kann nach nach Ansicht von Sr. Basina und 9 anderen großen Trägervereinen der Deutsche Caritasverband nicht mehr bieten. Der gleicht mit seinen vielfältigen Aufgaben eher einem Gemischtwarenladen als einem durchsetzungsfähigen und straff organisierten Unternehmerverband.

Sr. Basina Kloos:

"Es muss unseres Erachtens innerhalb des Caritasverbandes eine Schiene geben, die diesen unternehmerischen Anteil stärker mitvertritt wie in der Vergangenheit."

Die großen Trägergesellschaften unter dem Dach der Caritas wollen mit ihrem Reformansatz vor allem eines: die verkrusteten Strukturen der Verbandsarbeit aufbrechen. Und das betrifft in erster Linie die Beschäftigten und deren Bezahlung. Sr. Basina will sich lieber heute als morgen von den ungeliebten Arbeitsvertragsrichtlinien, kurz AVR, verabschieden. Diese regeln die Entlohnung der Beschäftigten ähnlich wie der Bundesangestelltentarif (BAT) und der ist nach Ansicht der Ordensschwester zu starr, zu unflexibel und zu wenig leistungsorientiert.

Sr. Basina Kloos:

"Zur Zeit erlebe ich, daß im AVR-Bereich, also im Bereich der arbeitsvertragsrechtlichen Richtlinien, ungerecht Mitarbeiter, die sich über 100 % einsetzen, den gleichen Lohn zu erwarten haben wie die, die sich eben nicht so engagieren."

Die Bezahlung soll sich im Sozialbereich stärker an der Leistung als an irgendwelchen Eingruppierungen orientieren. Das heißt, wer Überdurchschnittliches leistet, wird überdurchschnittlich bezahlt.
Das kann aber auch zur Folge haben, daß Beschäftigte für einfache Arbeiten künftig noch weniger erhalten. Eine solche Kürzung der Nieriglohngruppen hat der Verband diakonischer Dienstgeber bereits im letzten Jahr vorexerziert.
Deshalb betrachtet Günter Däggelmann, der Bundesvorsitzende der Mitarbeitervertretungen im Bereich der katholischen Kirche den Abschied von AVR bzw. BAT auch mit gemischten Gefühlen:

Günter Däggelmann:

"Man wird sehen müssen, wie sich das gestalten läßt, da wird sicherlich sehr notwendig sein, daß vor allen Dingen diese großen Arbeitgeber nicht nur mit der großen Machtkeule kommen, sondern den Ausgleich auch mit den Mitarbeitervertretungen, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen suchen und zu einem Ausgleich kommen, denn bislang haben die ja immer noch die Möglichkeit, einfach den Rolladen runterzulassen und zu sagen, wir machen da nicht mit, es gibt es keinen entsprechenden Abschluß."

Wie auch immer das Tauziehen um die Reform des Caritasverbandes ausgeht, eines steht für Sr. Basina fest: sollte sich nicht bald etwas ändern, könnten dem Verband (DCV Anm.d. Red.) die Mitglieder ausgehen.

Sr. Basina Kloos:

"Er könnte die Einrichtungen als großer Verbund verlieren, weil es gibt auch Aussagen dass einzelner Einrichtungsträger, die der Arbeitsplätze willen auch überleben wollen, soweit gehen, dass sie sagen, dann müssen wir halt außerhalb des Caritasverbandes unseren Weg weitergehen, was ich sehr bedauern würde."