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Brief der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (BAG-MAV) an die deutschen Bischöfe zum Thema "Interessenausgleich im Kirchlichen Dienst"

 

An die HH Erzbischöfe und Bischöfe
in der Vollversammlung des Verbandes
der Diözesen Deutschlands

Bad Honnef, 20.11.2000

 

Sehr geehrter Herr Erzbischof, sehr geehrter Herr Bischof,

Dienstgeber, Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer in kirchlichen Einrichtungen sind abhängig Beschäftigte mit verschiedenen Aufgaben und Rollen. Sie tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf ihre arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass kirchliche Einrichtungen ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen können (Grundordnung 1993, Artikel 1).

Diese Dienstgemeinschaft als das maßgebende Strukturelement des kirchlichen Dienstes gebietet es, dass unterschiedliche Interessen von Dienstgebern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unter Beachtung des Grundkonsenses aller über den kirchlichen Auftrag ausgeglichen werden ( Erklärung der Bischöfe 1993, Artikel IV Ziffer 2). Arbeitsvertragsrecht und Mitbestimmungsrecht sind dazu gedacht, diesen Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zu gewährleisten.

Dieser Ausgleich der Interessen erfolgt auf zwei Ebenen. Die Ebene des Gesetzgebers führt verschiedene Interessenlagen durch ein Gesetz einem Ausgleich zu. Die zweite Ebene, die Handlungsebene der Beteiligten, konkretisiert den Interessenausgleich in der Dienstgemeinschaft.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen sieht auf beiden Ebenen diesen Interessenausgleich im kirchlichen Dienst als nicht gegeben an:

  • Die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) bietet nach fast 30 Jahren Entwicklung immer noch keinen Interessenausgleich, wie der weltliche Bereich ihn für ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen ohne Dienstgemeinschaft vorsieht. Je deutlicher sich die soziale Welt verändert, desto deutlicher wird die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit. Die im Ergebnis unverbindliche Mitwirkung dominiert die Ordnung, der Interessenausgleich durch echte Mitbestimmung ist völlig unterentwickelt. Die Wirklichkeit der MAVO sieht die Mitarbeitervertretungen als Bittsteller, nicht als Partner in der Dienstgemeinschaft. Der weit überwiegenden Zahl der Dienstgeber ist die MAVO fremd oder lästig in ihrem alltäglichen Handeln. Dies wird auch dadurch belegt, dass die meisten Schlichtungsurteile zu Lasten der Dienstgeber gehen. Bei den Vergleichen ist die Bilanz noch eindeutiger. Die Durchsetzbarkeit von Schlichtungsurteilen ist de facto nicht gegeben.

  • Das Gesetzgebungsverfahren der MAVO ist dienstgeberdominiert. Personalreferenten, in ihren Diözesen mit der Vertretung von Dienstgeberinteressen betraut, haben in den Strukturen des Verbandes der Diözesen gesetzgeberische Funktion. Sie formulieren Gesetzentwürfe, hören Beteiligte (u.a. die Mitarbeiterseite) an und geben nach ihrem Urteil dem Gesetzgeber abschließende Empfehlungen. Ein Anhörungsverfahren vor einem Gesetzgeber, der im Zuge des Interessenausgleichs die politische Entscheidung über den Inhalt des Gesetzes trifft, findet nicht statt.

  • Diese Systematik der Dienstgeberdominanz setzt sich im KODA-Bereich fort. Dieselben Personen, Dienstgebervertreter in der Bistums-KODA, fertigen als Gesetzgebervertreter den Gesetzentwurf für die KODA-Ordnungen, hören die Mitarbeiterseite an und geben dem Gesetzgeber abschließende Empfehlungen. Ebenso geschieht es in der Zentral-KODA.

  • Dieselben Personen, die als Gesetzgebervertreter KODA-/Zentral-KODA- und Mitarbeitervertretungsordnungen gestalten, sind auch diejenigen, die dann als Dienstgebervertreter in den Diözesen aufgrund dieser Ordnungen die Arbeitsbedingungen wie z.B. Dienstbefreiungen und Reisekosten der Mitarbeiterseite bestimmen.

  • Dieselben Personen, die ihre Interessen als Dienstgebervertreter selbst organisieren, bestimmen als Gesetzgebervertreter oder als Dienstgebervertreter auch die Organisationsregeln der Mitarbeiterseite. Dass diese Regelungen eher restriktiv ausfallen, ergibt sich aus der eigenen Interessenlage.

  • Dieselben Personen sitzen wiederum in der Arbeitsgemeinschaft der Bistümer, dem Gremium, ohne dessen Zustimmung kein Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes je bis zum Gesetzgeber zur Promulgation vordringt.
  • Dieselben Personen sitzen zum Teil als Dienstgebervertreter auch im Aufsichtsrat der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK), Mitarbeiterinnnen und Mitarbeiter und ihre Interessen sind dort bislang nicht vertreten.

Die kritische Schilderung dieses Zustandes bezieht sich ausdrücklich nicht auf die in dieser Funktion tätigen Personen, sie ist vielmehr eine Systemkritik am Verfahren des Interessenausgleichs in der Dienstgemeinschaft. Die tatsächliche Praxis dieses Ausgleichs genügt nicht annähernd dem Anspruch des oben zitierten Leitbildes der Grundordnung.

Zu Zeiten, als aufgrund üppiger Finanzmittel nur wenige Konfliktfelder zutage traten, spielte die Frage des Interessenausgleichs eher eine untergeordnete Rolle. Die jetzige Zeit, in der zunehmend und unausweichlich kirchliche Einrichtungen am Markt bestehen müssen, erfordert andere Formen des Ausgleichs. Dienstgebervertreter fordern zunehmend die Mitverantwortung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, ohne entsprechend mehr Mitgestaltung zuzulassen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen und ihre Vertretungen erwarten eine Korrektur des bisherigen Systems hin zu einem fairen Interessenausgleich. Sie erwarten eine konsequente Trennung von Dienstgeber- und Gesetzgeberfunktion, auch in der Phase der Vorbereitung von Gesetzen. Sie erwarten Dienstgeber, die nicht nur in Finanzfragen, sondern auch in Fragen des praktischen Interessenausgleichs vor Ort kompetente Partner in der Dienstgemeinschaft sind.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen erwartet, sehr geehrter Herr Erzbischof, sehr geehrter Herr Bischof, dass Sie als Gesetzgeber einen fairen Interessenausgleich in der Dienstgemeinschaft herstellen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Günter Däggelmann

(Vorsitzender)