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AK-Magazin Nr. 21 - August 2002


Der Streit um die Zusatzversorgung

Es war einmal...

Die Vollversammlung des Verbandes der Dišzesen Deutschlands (VDD) hat am 30. August 1976 beschlossen, die kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK) zu errichten.
Deren Aufgabe besteht nach ¤ 2 des Beschlusses darin, den Arbeitnehmern des kirchlichen und des kirchlich-caritativen Dienstes eine zusŠtzliche Altersversorgung nach den fŸr Angestellte im šffentlichen Dienst geltenden GrundsŠtzen durch Versicherung zu gewŠhren. Dieser Aufgabe ist die Kasse nachgekommen, indem sie das damals im šffentlichen Dienst praktizierte umlagefinanzierte Gesamtversorgungssystem in ihrer Satzung verankert und entsprechende Renten gezahlt hat.

Parallel dazu hat die Arbeitsrechtliche Kommission - damals noch "StŠndige arbeitsrechtliche Kommission" genannt - eine Versorgungsordnung beschlossen, die in ihrem Leistungsteil das Gesamtversorgungssystem inhaltsgleich abgebildet hat.

Bis zum Jahr 1984 wurde jede VerŠnderung, die im šffentlichen Dienst auf Grund von VersorgungstarifvertrŠgen eintrat, von der AK durch entsprechende formale BeschlŸsse Ÿbernommen. Seit September 1984 richtet sich der Versorgungsanspruch des Mitarbeiters ausschlie§lich nach der Satzung der Zusatzversorgungskasse und ihrer AusfŸhrungsbestimmungen. Diese Satzung wurde bis zum Jahr 2001 regelmŠ§ig an das jeweilige Versorgungsrecht des šffentlichen Dienstes angepasst.

Im April 2002 wurde die Satzung von der Kasse - dem Versorgungstarifvertrag 2001 entsprechend - unter Aufgabe des Gesamtversorgungssystems auf ein kapitalgestŸtztes Betriebsrentenmodell (Punktesystem) umgestellt und von der Vollver-sammlung des VDD am 24. Juni 2002 beschlossen. Damit ist die KZVK ein Versicherer nach Art einer Pensionskasse geworden.

Punktesystem ohne Zustimmung der AK?

FŸr alle Beteiligten stellt sich damit die Frage, ob mit dem letztgenannten Beschluss des VDD das Punktemodell bei der Caritas eingefŸhrt ist oder ob es dazu noch eines eigenen Beschlusses der AK bedarf.

Zur Erinnerung: Die AK hat in der Juni-Sitzung 2002 der Beschlussvorlage zur EinfŸhrung des Punktesystems mehrheitlich die Zustimmung verweigert. Dabei hat die Mitarbeiterseite geschlossen deutlich gemacht, dass sie zwar die Umstellung auf das neue Versorgungssystem grundsŠtzlich akzeptiere, dass aber die unangemessene Benachteiligung der unter 55-jŠhrigen durch die Umrechnung der Anwartschaften nach dem Betriebsrentengesetz nicht akzeptiert werden kšnne.

Verweisung als Generalvollmacht?

Ein erneuter AK-Beschluss wŸrde sich erŸbrigen, wenn bereits die im Jahr 1984 getroffene Entscheidung, die VersorgungsansprŸche richteten sich ausschlie§lich nach der Kassensatzung, den Wechsel zu einem všllig anderen Versorgungssystem, dem Punktesystem, mit einschlšsse. Dies wird in einem Gutachten fŸr den Verband der Dišzesen Deutschlands zwar behauptet, von der Mitarbeiterseite jedoch bestritten. Folgende GrŸnde fŸhren zu dieser EinschŠtzung.

Fehlende Eindeutigkeit

Die Formulierung der Verweisung ist nicht eindeutig. Nach juristischem Sprachgebrauch hŠtte sich die AK im Jahr 1984 vorbehaltlos der Satzung unterworfen, wenn sie die VersorgungsansprŸche dem jeweiligen Satzungsrecht unterworfen hŠtte (sog. "dynamische Verweisung"). Der Kommission war und ist die Bedeutung einer "Jeweiligkeitsklausel" bekannt - siehe z. B. ¤ 2 des Musterdienstvertrages. Gleichwohl hat sie die Klausel nicht zur Verdeutlichung des ihr von vielen unterstellten Willens, sich vorbehaltlos der Satzung zu unterwerfen, in den Beschlusstext aufgenommen. Das hŠtte nahe gelegen, weil damals wie heute neben dem Gesamtversorgungssystem der KZVK mit der "Selbsthilfe" eine Pensionskasse bestand, von der 1976 die meisten VersicherungsverhŠltnisse auf die KZVK Ÿbergeleitet worden waren.

(Exkurs: HŠtte im Jahr 1984 jemand die Kommissionsmitglieder gefragt, ob mit dem damaligen Verweisungsbeschluss auch eine Versorgung nach Pensionskassenrecht gemeint sein kšnne, er hŠtte gewiss KopfschŸtteln hervorgerufen. Denn die Kommissionsmitglieder hŠtten sich zu Recht gefragt, aus welchem Grund sie das Recht der einen von zwei Pensionskassen regeln dŸrften, wŠhrend sie auf die Regelungskompetenz der anderen Pensionskasse verzichten sollten).

Das Fehlen einer Jeweiligkeitsklausel ist somit Indiz dafŸr, dass nur auf das Recht des Gesamtversorgungssystems verwiesen werden sollte.

Keine Jeweiligkeits-Klausel

1984 wurde von der Kommission die fehlende Einflussmšglichkeit auf das Leistungsrecht der Gesamtversorgung beklagt, weil sie einzelne Bestimmungen fŸr bedenklich hielt und sie gern modifiziert hŠtte, sich aber wegen der erforderlichen Einheitlichkeit des Zusatzversorgungsrechts daran gehindert sah. Die Bedenken wurden seinerzeit der Deutschen Bischofskonferenz und dem VDD per Beschluss (2 Gegenstimmen und eine Enthaltung) mitgeteilt und eine Kommission eingerichtet, die Handlungsmšglichkeiten ausloten sollte (siehe Niederschrift der 82. Sitzung vom 25. 9. 1984). Die AK gab damit deutlich zu erkennen, dass sie mit der Entwicklung dessen, was sich unter dem Schlagwort "Abbau der †berversorgung" im šffentlichen Dienst tat, hšchst unzufrieden war ("soziale Schweinerei"). Angesichts dessen spricht einiges dafŸr, dass der gleichzeitig gefasste Beschluss, sich der Kassensatzung zu unterwerfen, sich nur und ausschlie§lich auf das Gesamtversorgungssystem bezogen hat. Der Beschluss darf folglich keinesfalls so verstanden werden, als sollten damit auch alle grundlegenden SystemverŠnderungen abgesegnet werden, die sich irgendwann im šffentlichen Dienst ergeben wŸrden.
Genau dieser von uns bestrittene Inhalt wird jedoch dem seinerzeitigen Verweisungsbeschluss beigemessen und damit begrŸndet, der Errichtungsbeschluss der Kasse im Jahr 1976 habe fŸr den caritativen Bereich eine Zusatzversorgung wie im šffentlichen Dienst geschaffen. Infolge dessen habe die Kasse das bisherige Versorgungssystem ebenfalls durch das Punktemodell ersetzen kšnnen. Hier sei der Hinweis gestattet, dass der bischšfliche Auftrag an die Kasse, die Zusatzversorgung nach den fŸr Angestellte des šffentlichen Dienstes geltenden GrundsŠtzen zu ordnen, sehr wohl so verstanden werden kann, es sei nur das dort seit 1967 geltende Versorgungssystem der Gesamtversorgung gemeint, nicht etwa das jeweils praktizierte.

Zusatzversorgung = Gesamtversorgung

So jedenfalls hat die AK den seinerzeitigen Be-schluss der Vollversammlung verstanden und ihn ausschlie§lich auf das Gesamtversorgungssystem bezogen: In der 53. Sitzung am 21.1.1975 sind daher drei ma§gebenden Ziele benannt worden, die Altersversorgung neu zu ordnen: - die fehlende Dynamisierung der bisherigen Renten aus der "Altershilfe" und der "Selbsthilfe", - die fehlende Orientierung dieser Renten an den bisherigen BezŸgen des Mitarbeiters (endgehaltsbezogene Berechnung) und - die fehlende †berleitungsfŠhigkeit. Die Niederschrift der 53. Sitzung vom 21.1.1975 fŸhrt weiter aus, durch die †bernahme des Gesamtversorgungssystems seien die aufgezeigten MŠngel auf Dauer und endgŸltig beseitigt. Die Mitglieder der AK hatten somit 1976 und auch spŠter nicht die jeweiligen Versorgungsregelungen des šffentlichen Dienstes im Blick, sondern sie wollten seiner inhaltlichen Vorteile wegen das damalige System der Gesamtversorgung bei der Caritas einfŸhren. Die Absicht, an eben diesem System festzuhalten, bestand wegen der †berleitfŠhigkeit auch 1984 und darŸber hinaus.

Systempflege - Systemwechsel?

Angesichts dieser Sachlage muss man annehmen, dass die Verweisung auf die Kassensatzung nur die notwendigen Korrekturen innerhalb des Gesamtversorgungssystems ermšglichen sollte. So erlŠutert der GeschŠftsfŸhrer der Arbeitsrechtlichen Kommission in der 82. Tagung am 25. September 1984 in Mainz zur entsprechenden Vorlage laut Niederschrift: "Aus der Diskussion sei deutlich geworden, dass materiell durch die Versorgungsordnung der AVR die AnsprŸche der Mitarbeiter nicht geregelt seien. Die Versorgungsordnung in den AVR habe immer nur das wiederholen kšnnen, was aufgrund der Satzung der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse geltendes Recht sei. Deshalb sei es stets erforderlich gewesen, bei SatzungsŠnderungen die Versorgungsordnung anzupassen. Bei diesen BeschlŸssen habe man keinen Spielraum gehabt. Um nun in Zukunft diese formalen BeschlŸsse zu vermeiden, verfolgt die Vorlage das Ziel, bezŸglich der VersorgungsansprŸche der Mitarbeiter auf die Satzung der Kirchlichen Zusatzversor-gungskasse zu verweisen. In gleicher Weise seien schon seit einigen Jahren die VersorgungsansprŸche der Mitarbeiter geregelt, die nicht bei der Zusatzversorgungskasse versichert seien, sondern bei einer anderen Zusatzversorgungseinrichtung." (Unterstreichungen vom Verf.) Daraus geht eindeutig hervor, dass die seinerzeitige Verweisung lediglich die fortlaufende Systempflege im Auge hatte, jedoch keinesfalls einen Systemwechsel antizipierte.

Eindeutige Zuordnung

Diese Aussage wird auch dadurch gestŸtzt, dass die Verweisungsvorschrift in Anlage 8 AVR die †berschrift Gesamtversorgung trŠgt. Auch die im nachfolgenden Text der Versorgungsordnung A mehrfach verwendeten Begriffe "Umlage" und "†berleitung" weisen auf das damals geltende System hin, wŠhrend in Versorgungsordnung B von einer Finanzierung durch Entrichtung von VersicherungsbeitrŠgen die Rede ist. Die AK hat damit deutlich gemacht, dass sie sehr wohl zwischen den beiden grundlegend verschiedenen Systemen unterschieden hat und keineswegs nur darauf fixiert war, den Gleichschritt mit dem šffentlichen Dienst zu vollziehen.

Keine Versorgungstarifautomatik

Die Verweisung auf die Kassensatzung bedeutete - wegen der unter den Zusatzversorgungskassen vereinbarten Regularien -, sich dem Ergebnis von TarifvertrŠgen zu unterwerfen. Da die Kirche Ta-rifvertrŠge wegen der Art ihres Zustandekom-mens ablehnt, muss davon ausgegangen werden, dass sich ihre Gremien - sowohl die AK wie die Vollversammlung des VDD - TarifvertrŠgen nicht schrankenlos unterwerfen, sondern nur in dem Umfang, der erforderlich ist, das konkret verfolgte Ziel zu erreichen. Dieses Ziel hie§ 1976 und 1984 nicht Gleichschaltung mit dem šffentlichen Dienst auf Dauer, sondern †bernahme und BestŠtigung des damals als vorteilhaft eingeschŠtzten Gesamtversorgungssystems. HŠtte sich die AK 1984 verpflichtet, die jeweiligen VersorgungstarifvertrŠge des …ffentlichen Dienstes auf dem Umweg Ÿber die Satzung der KZVK zu Ÿbernehmen, hŠtte sie damit den kirchlichen Dienst auf Dauer einem Recht unterworfen, das ausschlie§lich an sŠkularen Vorstellungen orientiert ist, eine damals wie heute (noch) undenkbare Vorstellung. Sie wŸrde einen Verzicht bedeuten, die Besonderheiten des kirchlichen Dienstes zur Geltung zu bringen. Daher kann die †bernahme kirchenfremder Regelungen allenfalls als Notlšsung auf Zeit verstanden werden (Richardi: Arbeitsrecht in der Kirche, 3. Auflage MŸnchen 2000, Seite 142 und Seite 178). Diese Zeit ist mit der Umstellung auf das Punktemodell abgelaufen.

Arbeitsvertragswidriger Zustand

Die Dienstgeber der Caritas sind durch ihre Zuordnung zur Kirche verpflichtet, den ArbeitsverhŠltnissen mit ihren BeschŠftigten die Arbeitsvertragsrichtlinien zugrunde zu legen. Das gilt auch fŸr die Regelungen der betrieblichen Altersversorgung nach Anlage 8. Derzeit lassen die Dienstgeber zu, dass die KZVK nach Vorschriften verfŠhrt, die durch die AVR nicht gedeckt sind. Die Mitglieder der Mitarbeiterseite in der AK sind bereit, diesen nach ihrer Auffassung arbeitsvertragswidrigen Zustand zu beenden und angemessene Regelungen zu beschlie§en. Entsprechende VorschlŠge sind jederzeit willkommen.

Schlussfolgerung

Da das Gesamtversorgungssystem des šffentlichen Dienstes abgeschafft und durch ein kapitalgestŸtztes Betriebsrentensystem ersetzt wurde, muss die AK diesen Schritt noch billigen. Denn eine grundlegende €nderung der Altersversorgung gehšrt prinzipiell zu ihren Aufgaben. Diese Grundsatzentscheidung kann ihr u.E. nicht durch den Hinweis auf eine angeblich umfassende Verweisklausel streitig gemacht werden. Sie hat mit dieser Verweisung ihre Kompetenz nur insoweit auf die seinerzeitige Kassensatzung Ÿbertragen, wie es zur Herstellung der KompatibilitŠt und zur ŸberleitfŠhigen Handhabung des seinerzeit geltenden Gesamtversorgungssystems erforderlich war. Damit auch gleich einen kompletten Systemwechsel von der Gesamtversorgung zu einer kapitalgestŸtzten Versicherungslšsung als zusŠtzlicher Altersversorgung abgedeckt zu haben, Ÿberstrapaziert Willen und Absicht der damals handelnden Kommissionsmitglieder.

Die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes vertritt daher die †berzeugung, dass es zur Ersetzung des Gesamtversorgungssystems durch das sog. Punktesystem eines gŸltigen Beschlusses der Kommission bedarf. Das Umfunktionieren einer Verweisklausel in eine Je-weiligkeitsklausel reicht als Rechtsgrundlage fŸr eine Umstellung nicht aus.

WvF/wbf